Wenn Menschen ein Unternehmen verlassen (sollen/wollen/müssen – Nichtzutreffendes bitte streichen!), dann begleiten verantwortungsvolle Unternehmen ihre langjährig Mitarbeitenden oftmals durch einen Prozess des Outplacements. D. h. sie unterstützen die Angestellten bei der Trennung vom alten Unternehmen und helfen ihnen, berufliche Neuorientierung zu finden – bis hin zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, des eigenen Neustarts oder gar der Existenzgründung. Dieser Prozess ist oftmals nicht nur ein rein formeller, allein von finanziellen und vertragstechnischen Dingen begleiteter Vorgang.

Denn mit der Trennung werden sowohl auf Seiten der Zurückbleibenden als auch seitens der Ausscheidenden emotionale Lücken gerissen und Wunden geschlagen, die sich auf die Arbeitszufriedenheit der ersteren und die Unternehmenswahrnehmung der letzteren erheblich auswirken können. Die Zurückbleibenden werden regelmäßig mit der Mehrarbeit der Ausscheider konfrontiert, die Ausscheider schädigen durch Stimmungsmache oftmals das Ansehen und Arbeitgeberimage des Unternehmens. Vor allem dann, wenn das Ausscheiden nicht freiwillig und/oder im gegenseitigen Einvernehmen erfolgte.

Was aber geschieht mit denen, die sich gar nicht beruflich neu orientieren wollen oder müssen? Die ein bestimmtes, meist staatlich vorgeschriebenes Alter erreicht haben und nun in Rente oder Pension gehen? Ist sich der Entlassende bewusst, wie sich viele Menschen fühlen, die ohne einen „sanften“ Übergang – sondern von jetzt auf gleich – in die dritte Lebenszeit geschickt werden, ohne mit einem Minimum an immateriellem Startkapital für´s Alter und Zukunftsrüstzeug ausgestattet zu sein …? Denn gerade sie, die mit dem Akt des Abschiedes entberuflicht wurden, bedürften der Unterstützung bei ihrem „Offboarding“, ihrer Ausschiffung aus der Berufslaufbahn, dem „Landgang ohne Rückkehr zur christlichen Seefahrt“ im Unternehmen? – Und bei weitem nicht nur im materiellen Sinne.

Wir alle haben Ruhestand nicht gelernt! Wir müssen keinem unsere Qualifikation für den Renteneintritt nachweisen; eigentlich ein Skandal für Deutschland, das bei allen möglichen Anlässen einen entsprechenden Befähigungsnachweis einfordert! Das ist eben die Krux: Gesellschaft und Unternehmen haben uns weder mit den Herausforderungen des Ruhestandes vertraut gemacht, geschweige denn, dass sie uns Trainingsmöglichkeiten dafür angeboten haben.

Was nun können Unternehmen und Organisationen für die Entwicklung neuer sozialer Fähigkeiten und die Einstellung der Psyche der Betroffenen im Transformationsprozess vom Beruf zum Ruhestand tun?

„Ausschleichmodelle“ für die Arbeit, die einen stufenweisen Ausstieg aus dem Berufsleben vorsehen, gibt es kaum in der Wirtschaft. Von wirkungsvollen Anschlussmodellen für freitätig arbeiten wollende Rentner habe ich bisher sehr wenig gehört. Aber umso mehr von Ruheständlern, die mit dem Strukturriss, mit dem Bedeutungsverlust, mit dem Lebenssinn und/oder mit ihrem bisherigen Lebensentwurf nicht mehr klarkommen. Und im Ernstfall psychisch erkranken. Hier bedarf es einer Betreuung, einer Begleitung, eines Trainings, das vor dem Berufsausstieg beginnen muss und auch nach dem Renteneintritt fortgeführt werden sollte. Und weil der Vorgang lebensphasenübergreifend ist, sollte das Offboarding von älteren, „rentenreifen“ Mitarbeitern als Prozess verstanden und durch externe Coaches und Trainer aktiv begleitet werden.

Ein gezieltes „Soft-Exit-Management“ nicht nur zur Neuorientierung in einer anderen Beschäftigung oder selbstgewählten Freitätigkeit, sondern für das grundsätzliche Zurechtfinden, Strukturieren und Selbstgestalten einer bislang unbekannten Lebensphase mit neuartigen Abläufen, veränderten Werten und fremdartigen sozialen Rollen.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Wolfgang Schiele

(Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Best ager

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