Neulich im Interview zum Thema Ruhestand … Schon die Eingangsfrage der Journalistin, warum es so wichtig ist, sich vor dem Beginn des Ruhestandes mit der Umstellung auseinanderzusetzen, stellt für viele Leser eine glatte Zumutung dar:

Was soll da sein: Freiheit, Freizeit, Fröhlichkeit!
Vorbereitung? Unsinn!
Einstellen auf die dritte Lebensphase? Welchem Zweck soll das dienen? …

Und obwohl die meisten Ruhestandskandidaten den voraussichtlich letzten Arbeitstag schon lange vorher kennen (und die Tage bis dahin vielleicht schon am Maßband abschneiden ;-)) lassen sie die Dinge einfach auf sich zukommen …

Aber: Psychologen und Psychotherapeuten halten den Übergang vom Beruf in die Rente für einen der tiefsten Einschnitte auf der menschlichen Lebenslinie. Er stellt die womöglich größte biografische Transformation zwischen zwei Lebensabschnitten dar. Muss ja nicht gleich heißen, dass das Gros der Menschen die Kurve in den Ruhestand nicht kriegt …

Machen wir für all diejenigen, die es noch vor sich haben, ein kleines Gedankenexperiment und fragen uns, was sich alles ändern wird. Denn normalerweise mögen wir Menschen keine Veränderungen. Doch gerade diese kommt noch dazu von einem Tag auf den anderen – plötzlich und unerwartet – wie jedes Jahr Weihnachten. Was erst einmal positiv ist: Wir werden nicht mehr fremdbestimmt, müssen keine Zeitpläne einhalten und niemandem Rechenschaft ablegen. Wir müssen nicht mehr wirklich etwas leisten – im Gegenteil: Unsere Leistungskurve darf augenblicklich von 120 auf nahezu 0% fallen. Wir bekommen zurückgelegtes Geld in Form von Rente ohne weitere Gegenleistung (über die Höhe lässt sich streiten, auch über die Gerechtigkeit, mit der die Zahlung einhergeht). Wir leben in einer vorgabereinen Zone, in einem Universum freier Zeit mit maximalem Spielraum. Wir hängen nicht mehr an einem Seil von Abhängigkeiten und haben unendlich viel Bewegungsfreiheit zur beliebigen individuellen Entfaltung zur Verfügung. Es ist, als ob wir machen könnten, was wir wollten …

Den Zugewinnen stehen auf der anderen Seite jedoch auch folgende Phänomene gegenüber: Unser berufliches Selbstverständnis – unsere jahrzehntelange Bindung an Arbeitsprozesse, mit denen wir uns sozial, organisatorisch bzw. fachlich identifiziert haben, löst sich mit einem Schlag auf. Wir werden kurzerhand bedeutungslos für diejenigen, mit oder unter denen wir bisher gearbeitet haben. Plötzlich sind wir „Out-Group“ – fallen in einen resonanzfreien Raum ohne Anerkennung und Wertschätzung durch andere. Wir verlieren unerwartet schnell das komplette Netzwerk unserer Berufswelt. Und damit sowohl unseren Nutzen für andere, aus dem sich unsere Bedeutung speiste, als auch unseren Selbstsinn, der unserem beruflichen Wirken entsprang. Nicht selten werden wir uns dann bewusst, dass unsere Autorität ausschließlich an unserer Position und nicht an uns als Menschen festgemacht wurde …

Zu weiteren markanten Veränderungen gehören die Verlagerung des bisherigen Lebensmittelpunktes und der Verlust der strukturierten Abläufe. Haben wir bisher zwischen 10, 12, 14 oder gar mehr Stunden im und mit dem Job gelebt, beginnt nun die Zeit der „trauten Zweisamkeit mit dem Partner“: Wir verbringen 24 Stunden am Tag, 30 Tage im Monat und 12 Monate im Jahr im Grunde mit ein und der selben eng angebundenen Person. Im Extremfall in einer relativ begrenzten Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Auch müssen wir unsere Fach- und Machtinstrumente im Unternehmen zurücklassen – vor allem wir Männer! Und haben die Aufgabe, völlig neue Alltags- und Lebensabläufe zu kreieren. Wir benötigen eine an die nun berufsfreie Lebensperiode angepasste zeitliche und inhaltliche Um- und Neustrukturierung in unserer dritten Lebensphase! Die uns auch niemand vorgibt. Da man mit uns nichts mehr unternimmt, müssen wir selbst etwas unternehmen. Für manch einen von uns eine grässliche Vorstellung …

Sie haben es in der Hand: Sich vorab einen Überblick zu verschaffen und Startkapital in die dritte Lebensphase einzubringen. In meinen Augen macht es aus eigener Erfahrung Sinn, sich möglichst frühzeitig an die vielfältigen Themen des Ruhestandes heranzupirschen. Auch wenn es nach außen hin den Anschein hat, dass es mehrheitlich nur glückliche, zufriedene und gelassene Rentner und Pensionäre gibt: hinter den Kulissen sieht die Welt ein wenig anders aus. Gern unterstütze ich als (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für Best Ager all die, denen ein erfolgreicher Start in den (Un-)Ruhestand wichtig ist: Mit meinen beiden Büchern und mit individuellen Coachingangeboten für den Übergang vom Beruf in den Ruhestand. Anfragen gern an:
info@coachingfiftyplus.de

Und denken Sie immer daran: Für den Start in den Beruf haben wir eine Ausbildung absolviert, auf den Start in die Rente hat uns niemand wirklich vorbereitet! Und die macht bei positiver statistischer Betrachtung mindestens ein Viertel unseres Lebens aus … Und es soll ja eine gelingende Zeit werden!

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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