
„Alle wollen raus – und das sogar mit dem Strafzoll der Abschläge. Sein scheint in der Tat besser zu sein als Haben“. So begann mein Kommentar zur Bertram Kaspers LinkedIn-Beitrag über den Beschäftigungsexodus aus dem Beruf hin zur „Rente mit 63“ vom 29. Oktober 2023, den unverminderten Drang der (Vor-)Babyboomergeneration nach der „Später Freiheit“ im Alter.
Ich muss das an dieser Stelle ein wenig abmildern, denn nicht a l l e wollen das. Ein paar bleiben der Volkswirtschaft schon noch erhalten. Vielleicht sind es die, die überhaupt noch nicht wissen, was sie im Ruhestand machen wollen … und deshalb noch Bedenkzeit im Beruf brauchen.
Sind wir mal ehrlich: Wir wissen zumeist, was wir nicht wollen – keine teuren Lebensmittel, keine randalierenden Nachbarn, keine kritisierenden Chefs, keinen bevormundenden Staat. Aber wissen wir auch, was wir wirklich wollen? Das Zurücklassen von Unliebsamem ist das Eine, eine präzise Vorstellung von persönlicher Zukunft das Andere. Und die sollten wir schon haben, wenn wir so zeitig wie möglich ins freiwillige Outplacement gehen und die Organisation verlassen, mit der wir uns mehr oder weniger intensiv über Jahrzehnte hinweg identifiziert haben.
Der Schritt „von etwas weg“ mag schmerzen, aber was ist mit dem Schritt „zu etwas hin“? Wohin genau soll er führen, welche Erwartung knüpfen wir an ihn? — Die meisten machen sich wenig Gedanken über die vielen Jahre, die vor ihnen liegen. Wer mit 63 geht, kann gut und gern 20, 25 Jahre und mehr vor sich haben. Das ist ein Viertel, im optimalen Fall bis zu ein Drittel unseres gesamten Lebens! Und der Anteil der vitalen, mobilen Zeit in dieser Lebensphase nimmt eher zu.
Ein hilfreicher Baustein dafür, seine späten Altersziele auf die smarte Weise zu bestimmen, ist das Modell der Freitätigkeit, das zurückgeht auf Leopold Stieger, einem österreichischen Urgestein der Personalpolitik. Ich habe versucht es sowohl zu komprimieren als auch zu ergänzen. Und da ich als ehemaliger Ingenieur Visualisierungen liebe, habe ich ein Bildchen dazu entworfen, das die verschiedenen Kriterien einer belastbaren Entscheidungsfindung bei der persönlichen Neuausrichtung beinhaltet:

„Arbeitsanleitung“
Hinterfrage die Qualitäten und Kriterien, die sich in den sechs verschiedenfarbigen Kästchen befinden an Hand der folgen Fragen:
Über welche signifikanten Fähigkeiten verfügst du, welche besonderen Kompetenzen hast du im Lebenslauf aufgebaut – und könntest sie zur sinnvollen und erfüllenden Gestaltung deiner dritten Lebensphase nutzen?
Welche Werte möchtest du im Ruhestand leben, welchen Überzeugungen folgst du und woran glaubst du in der Welt?
Welche sozialen Rollen möchtest du zukünftig ausfüllen, welche bisherigen werden wegfallen, welche werden hinzukommen und welche kannst du transformieren?
Welche Träume bleiben bisher unerfüllt, welchen Sehnsüchten möchtest du noch folgen und welche Wünsche musst du dir unbedingt noch erfüllen?
Was sollte dir dein Leben unbedingt noch bieten – was sagt dein Bauchgefühl, was deine Intuition dazu?
Welchem Lebenssinn willst du finden, welche Mission erfüllen und welche Spuren für die Welt und deine Liebsten hinterlassen?
Wer eine ausführliche Modellbeschreibung mit Beispielen und dezidierten Fragen sucht, der findet sie in meinem Buch „Selbstmanagement im Ruhestand – Coachingmodelle für mehr Resilienz und Gelassenheit im Alter“, erschienen bei Springer 2022 unter ISBN 978-3-658-36148-8.
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!
Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2023 | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de

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