Letztens in einem Museum. Meine Frau fragt am Schalter nach einer Ermäßigung für Rentner. Oh nein, denke ich, bloß jetzt nicht den Rentnernachweis erbringen müssen! Obwohl: Ich bin ja in einem Alter (noch wenige Wochen fehlen bis zur Vollendung meines 70sten …), wo ich wieder stolz sein kann auf mein Alter – so wie einer, der seinem 18. Geburtstag entgegenfiebert!

Mein Unbehagen kommt aus einer anderen Richtung. Ich müsste etwas hervorkramen, um mich zu legitimieren. Ein papiernes, an den Ecken vielleicht schon geknicktes Etwas der Deutschen Rentenversicherung. Einen sogenannten Ausweis, der auf Grund seiner Robustheit und Originalität ein wahres Vorzeigeobjekt im gesellschaftlichen Dialog mit Ermäßigungskassen ist und in der Welt der Urkunden seinesgleichen sucht. Das ginge dann doch zu weit für mein Selbstwertgefühl!

Habt Ihr ihn auch alle, diesen schlichten papiernen, mit einer dünnen Folie überzogenen spartanisch gestylten Ausweis der Deutschen Rentenversicherung? – Ja? Dann ist Euch sicher auch klar, warum wir an den aller wenigsten Kassenhäuschen Deutschlands keine Ermäßigung erwarten dürfen! Es ist geradezu eine Erniedrigung, ja eine alterslange Strafe, ein solches papiernes Vermächtnis mit sich herumtragen und für die Beweisführung seines Rentnerdaseins vorzeigen zu müssen! In keiner meiner Lebensphasen bin ich mit einer Legitimation durch die Welt gegangen, die unangemessener und respektloser war. Und ich glaube, selbst der Pionierausweis der früheren DDR hat mich stolzer gemacht als diese „Bestätigungsurkunde“ über ein langes Leben.

Offensichtlich haben es um die 20 Millionen Rentner verdient, mit der Bürde der urkundlichen Wertlosigkeit durch die Ruhestandswelt zu gehen! Nicht einmal seinem kreditunwürdigsten Kunden würde eine Bank einen solchen Zettel an die Hand geben. Und wir müssen dieses karge Teil zücken, um uns an den wenigen Orten, die uns noch Ermäßigungen verheißen, zu outen. Eigentlich eine Zumutung für den lebensreifen Besitzer und den hinter´m Schalter Sitzenden.

Ich hege den Verdacht, dass es Vorsatz war. Die Deutsche Rentenversicherung hat bewusst allen Kredit- und Rabattgebern signalisieren wollen: Wenn jemand so einen papiernen Fetzen vorlegt, dann ist Rabattverachtung die einzig mögliche Reaktion. Also wagt es bloß nicht, Euch auszuweisen als Rabattbittsteller mit monatlich sicherem Rentenbezug!

Nach 35, 40 oder mehr Lebensjahren haben die deutschen Rentner sicherlich etwas besseres verdient, als ein folienüberzogenes Papier im Checkkartenformat, um sich würdevoll und selbstbewusst als solche ausweisen zu können. An ein Dokument, das manche noch vierzig und mehr Jahre begleiten kann, sind wohl gewisse Mindestansprüche an Robustheit, Wertigkeit, Fälschungssicherheit und einen gewissen gestalterischen Pep nicht zu viel verlangt. Oder was meint Ihr?

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele

Freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für angehende Senioren

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