Attraktive, famose bzw. magische Bilder gelingen immer dann, wenn wir uns an die kompositorischen Regeln der Fotografie halten. Das meinen mehrheitlich die Profis unter den Fotografen. Von diesen Leitlinien, die zu ästhetisch empfindsamen und vollkommenen Bildern führen sollen, gibt es eine ganze Reihe; und mehr oder weniger bewusst befolge auch ich sie. Aber sie sind nicht immer der Garantieschein für ein exzellentes, auf den Betrachter Eindruck machendes Foto. Das hat verschiedene Gründe.

Da ich vornehmlich Architektur-, Struktur- und vor allem Naturfotos mache, ist es nicht immer möglich, bestimmten Prinzipien zu entsprechen. Das ist so, weil die Natur sich in den wenigsten Fällen verbiegt und uns zuliebe für ein Idealfoto in Pose wirft. Es gehört schon viel Fingerspitzengefühl dazu, das in der Natur Vorgefundene durch Positionswechsel, unterschiedliche Objektivwahl und Einstellungserfahrung wie gewünscht zu ordnen, zu gruppieren und zu präsentieren. Und manches Mal staunt man über das unerwartete Ergebnis; das zwar nicht regelkonform, aber emotional eindrücklich und bewegend ist.

Während des Fotografendaseins durchlaufen die meisten eine an den Prinzipien und Methoden der Ästhetik, der Gestalttheorie und des Zeitgeschmackes orientierte Lernphase. Aber wenn sie dann einen bestimmten Punkt erreicht haben, dann versuchen sie die althergebrachten Regeln zu brechen und neue Sichtweisen zu kreieren. Und gar nicht so selten entsteht dadurch eine neue künstlerische Richtung. Manchmal steht hinter dem Bruch mit den Fotokonventionen eine gut durchdachte Provokation, manchmal begründet er sogar eine neue Fotogattung.

Es gibt Fotos, die scheinen allen Regeln der Fotokunst und -technik zu widersprechen. Oft haben sie aber einen ganz eigenen Reiz, wecken Emotionen in uns und lösen Assoziationen aus, die mit den einschlägigen bildkompositorischen Mitteln nicht erzielbar sind. Sie folgen eigenen Gesetzen, die fernab von Fototechniken und Gestaltpsychologie zu individuellen Impulsen führen, die in uns unerwartete Einsichten gewähren, Verständnisse erzeugen und sogar Veränderungen in Gang bringen.

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele

Freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für angehende Senioren

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