Foto: Wolfgang Schiele

Film oder Foto? Worin unterscheiden sie sich? Was macht das eine oder das andere visuelle Format spannend, reizvoll, anziehend, tiefgehend?

Heutzutage sind es vor allem die Spots, die Videoclips, die Bewegtbilder eben, die uns in den Bann zu ziehen scheinen. Ohne einen animierten Spot – so Werbefachleute – sei der erfolgreiche Verkauf eines Produktes illusorisch. Und es bräuchte zwingend Influencer als Animateure; es bräuchte eine fließende Story, die filmische Handlung, eine Sequenz der Bewegung. Fotos seien zu stark und unbewegt und eben nicht einprägsam genug.

Worin unterscheiden sich nun Film und Foto? Was macht ihre psychologische Wirkung aus?

Ein Film steht für einen Verlauf, für eine Art Dynamik. Für ihn wird ein Sujet ausgewählt, eine Startidee umgesetzt, eine visuelle Choreografie realisiert und nach einer mehr oder weniger langen Bildabfolge werden ein oder mehrere Zielgedanken verwirklicht. Alles ist in Bewegung: „panta rhei“, alles fließt. Der Film selbst führt den Betrachter durch eine Geschichte und oftmals geschieht das auch in manipulativer Absicht. Der Abschluss besteht (fast) immer aus einem direkten oder versteckten Appell. Oder aber der Film lässt den Betrachter mit seinen Interpretationsoptionen allein.

Das Foto hingegen steht für einen Zustand, für den eingefrorenen Moment. Ihm fehlt jede Form von erkennbarem zeitlichem Ablauf. Seine interne Geschichte ist auf einen winzigen Augenblick zusammengestutzt, in einer einzigen Pose erstarrt. Ein Foto führt uns durch kein Geschehen, es macht einen Cut, aber wir wissen regelmäßig nicht, ob es der Anfang, das Ende oder ein Dazwischen aus einem fiktiven Ablauf ist.

In unserer schnelllebigen Zeit nehmen wir uns im Alltag sehr wenig Zeit, ein Einzelbild intensiv zu betrachten, es zu interpretieren und es einzuordnen. Einfacher erscheint uns ein Videoclip, in dem wir durch eine Thematik geführt werden. Dabei interpretieren Dritte das hinein, was sie für sich für nützlich halten. Das Foto verlangt uns einiges mehr ab: Wir müssen die Geschichte drumherum selbst erfinden. Sie wird in den meisten Fällen nicht wahrhaftig und richtig sein, aber wir sind beim Bildbetrachten die Herren über die Story dahinter. Ein Film wirkt reaktiv auf uns, ein Bild aktiviert uns eher zum eigenen (Nach-)Denken. Das Einzelbild bleibt – so seine Aussage uns anspricht – im visuellen Gedächtnis; einen Film verlieren wir bildlich viel schneller, dafür pflanzt er uns fremde Annahmen und fragwürdige Glaubenssätze ein.

Suchen Sie sich ein beliebiges Bild aus. Schauen Sie es eine Weile konzentriert an. Und versuchen Sie zu ergründen, was es sagen möchte, was es in Ihnen auslöst und wie lange es in Ihrem visuellen Gedächtnis verbleibt.

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele

Freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für angehende Senioren

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