Foto: Wolfgang Schiele – Rathaus Aschersleben – die älteste Stadt Sachsen-Anhalts

Zurück vom Klassentreffen meiner Abiklasse! Es war eine gelungene Veranstaltung! Alle zwei Jahre trifft sich der harte Kern der überlebenden Klassenkameraden des Jahrgangs 1972 in meiner Geburtsstadt Aschersleben. Die kurze zeitliche Frequenz macht Sinn: Nunmehr sind (bereits/erst?) vier Abgänge zu verzeichnen.

Wieder hatte das „Organisationskomitee“ einen morgendlichen Treffpunkt unweit von Aschersleben ausgesucht. Es ist bereits langjährige Tradition, sich frühmorgens zu einer gemeinsamen vier- bis fünfstündigen relaxten Wanderung zusammenzufinden und die Natur zu genießen. Um in Wanderlaune zu kommen, wird auf dem Parkplatz traditionell mit Sekt oder Wein oder einem Schnäpschen angestoßen. Dieses Mal wurde es etwas nostalgisch: Die gute alte DDR-„Vipa“, ein weinhaltiges Kohlensäuregetränk mit 1,8% Alkohol, wurde verkostet! Und dann ging es los – immer entlang der Bode bei Thale im Harz auf dem Goethe-Weg entlang bis zum Bode-Kessel. Auf dem Rückweg eine Rast mit Einkehr – das spätsommerliche Kaiserwetter genossen wir gern auf den Bänken im Freien.

Foto: Wolfgang Schiele – Gymnasium Aschersleben „Stephaneum“ – früher Erweiterte Oberschule „Thomas Müntzer“

Abends fanden wir uns zu einem gemütlichen Abendessen ein und so manch Geschichte und Fotoalbum machte die Runde. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Neuigkeiten dann doch noch verbreitet werden, welche alten „Geheimnisse“ gelüftet und zu welchen neuen Einsichten wir noch kommen. Jede Neuauflage des Klassentreffens ist für mich ein wertvoller Zugewinn an Informationen, Erinnerungen und Rückblicken. Und dabei waren wir ja nur drei oder vier Jahre lang gemeinsame Schulkameraden.

An dieser Stelle frage ich mich, warum man sich nicht mit den früheren Berufskollegen trifft. Warum hört man wenig oder gar nichts über Treffen der Ehemaligen aus Betrieben, Verwaltungen oder Organisationen? Mit den meisten hat man doch eine viel längere Zeit gemeinsam verbracht als auf dem Gymnasium. Doch hier scheint es keine Tradition zu geben. Liegt das daran, dass gerade die Schulzeit, die Spanne zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr uns nachhaltig für´s Leben geprägt hat? Weil wir hier unsere Ausrichtung im Leben fanden, den Grundstein für den persönlichen Lebensplan legten? Weil wir uns mit Widersprüchen auseinandersetzten, uns selbst kennen und (zumindest teilweise) zu verstehen lernten? Weil wir viel intensiver nachdachten über unsere Zukunft? Weil die Gefühle auf der Penne eine viel größere Rolle spielten als der Verstand später im beruflichen Leben, insbesondere auch im Umgang mit dem anderen Geschlecht?

Foto: Wolfgang Schiele – Klassentreffen 2022 in der Welterbestadt Quedlinburg

Ich für mich glaube: es war die spannendste und abenteuerlichste Zeit. Wir haben die Pubertät überlebt, die meisten Lehrer sowieso, probierten uns aus, stießen an unsere Grenzen und schmiedeten erste große Lebenspläne. Wir haben die Welt angezweifelt, aber wir glaubten auch an uns. Wir hatten übergroße Erwartungen an die Menschen und an die Welt (die sich leider meist nicht erfüllten). Und wir meinten, wir könnten alles erreichen, fühlten uns als Elite und gingen auf die Suche nach der großen Liebe im Leben. Wurden enttäuscht und bestätigt, in die Schranken gewiesen und seelisch wieder aufgebaut …

Und da es eine wunderbare und unwiederbringliche Zeit war, sind wir gern immer wieder zusammen für einen Tag im Leben, der so vieles an Reflexion und Zuversicht, aber auch an Sehnsucht und Nostalgie beinhaltet, wie kaum ein anderes Ereignis jetzt im fortgeschrittenen Alter …

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele

Freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für angehende Senioren

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