Foto: Wolfgang Schiele

Immer wieder höre ich von „Spätaltrigen“, von Coaches für Minimalismus und von diversen Aus- und Aufräumkomplizen, dass man sich im Alter reduzieren und auf Wichtiges konzentrieren sollte. Also das konsequente Rückbauen und Entsorgen dessen, was zu viel ist, was man (oh, böser Hintergedanke …) den Nachkommen beim Ordnen des materiellen Vermächtnisses nicht zumuten könne. Diese Idee an sich finde ich solidarisch, verführerisch und inspirierend zugleich. Doch wenn ich mich so umschaue …

… sehe ich in meinem engerem Nachbarschafts- und Bekanntenkreis eigentlich einen ganz anderen Trend: Die Alten (zumindest die rüstigen, vitalen und mobilen) sortieren gar nicht aus und bereiten sich mitnichten auf eine beschränkte, reduzierte und überschaubare Welt der sie persönlich umgebenden Dinge vor. Sie tun genau das Gegenteil davon!

Sie erweitern sich, sie bauen auf ihren Grundstücken weitere Nebengelasse, füllen ungenutzte Bungalow-Ecken mit Wintergärten aus, erneuern und vergrößern ihr Inventar, sammeln wie verrückt weiter Urlaubsandenken und, und, und … Und wie mein Cousin beim letzten familiären Treffen sagte: „Sollen die Nacherlebenden doch sehen, wie sie mit unserem Kram klarkommen, den wir noch anschaffen und bauen!“

Für mich ist das Mehr im Alter ein Zeichen dafür, noch einmal oder wieder etwas Neues anzufangen. Aufzubauen auf Altem und zukunftsorientiert zu leben, noch etwas zu hinterlassen. Jetzt die Vielfalt zu leben, die durch den Beruf und familiäre Verpflichtungen verdrängt, verschüttet und verhindert wurde. Gelegentlich geraten beim Ausleben von verleugneten Interessen und unterdrückten Hobbies schon mal gewisse alte Dinge unter den Hammer und wandern tatsächlich in den Müll. Aber der Reichtum an dem, was man immer wieder selber erschafft oder auch anschafft, ist ein Hinweis darauf, dass das Leben mit dem erfüllt (in diesem Wort steckt die FÜLLE drin!) wird, was vorher nicht möglich war.

Foto: Wolfgang Schiele

Und vielleicht bleibt uns beim Neu- und Wiederentdecken der gegenwärtigen (Alters-)Welt auch zu wenig Zeit für´s Aufräumen und Minimieren. Wir wollen ja eigentlich vor nichts und niemandem mehr flüchten, sondern bodenständig bleiben. Unser Rucksack kann also prall gefüllt sein und muss nicht mehr auf eine Wanderschaft mitgenommen werden. Also kann sich, bittschön, auch noch etwas anhäufen!

Manche sprechen bei der materiellen „Lastenreduktion“ auch vom „Smooth Exit“; vom sanften Ausstieg, vom einträchtigen Abschied von den Dingen, die sich über die Jahre angesammelt haben. Doch wie gesagt: In meinem Umfeld nehmen die Dinge einen umgekehrten Lauf und es häuft sich immer mehr an. Ein Ursache des Festhaltens an den Sachen der Vergangenheit mag sein, dass wir in Anbetracht unserer verrinnenden Zeit eher zurück in die Vergangenheit schauen und durchlebtes Leben reflektieren – dafür greifen wir gern auf Erinnerungsanker aller Art zurück.

Oder wir wollen zeigen, was wir alles erlebt, durchgemacht und erlitten haben. Spuren hinterlassen, in der Hoffnung auf diesem Wege doch noch eine gewisse Art Unsterblichkeit zu erlangen? … Wird´s die Nachwelt interessieren?

Wie ergeht es Euch? Welcher Trend bestimmt Euer Leben in seiner dritten Lebensphase?

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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