Die Pandemiezeiten üben einen großen Einfluss auf die Anzahl der psychisch Erkrankten aus. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist die Zahl der seelischen Störungen sprunghaft angestiegen. Therapieplätze gibt es so gut wie gar nicht, Einweisungen in die Landeskliniken erhalten dem Vernehmen nach nur noch Schwerstdepressive und Suizidgefährdete. Die virale Krise – sollte sie jemals wirklich zu Ende sein – zieht eine Krise der Angstkrankheiten, Verhaltensstörungen und Depressionen nach sich. Nicht nur bei Jugendlichen.
Wir reden uns immer irgendetwas ein. Es sind Gedanken über uns selbst, andere Menschen, Sachverhalte oder die Welt an sich. Oder: Man redet uns etwas ein – überall da, wo gesprochen wird. Es sind die Einredungen, die wir bewusst oder unbewusst aufnehmen und fast immer auch bewerten. Wir stecken sie in eine Gehirnschublade und dann gehen wir mit ihnen durch die Welt. Wir vergessen sie mit der Zeit. Und doch wirken sie unterbewusst weiter. Wir passen unsere Denkweise und unser Verhalten an sie an und treffen auf ihrer Grundlage Entscheidungen. Es ist wie eine Infektion mit hoher Ansteckungskraft und schneller Verbreitungsgeschwindigkeit. Und es ist oftmals in der Tat so, dass sie uns behindern, blockieren und uns – ohne dass es uns bewusst wird – in unseren Kompetenzen und Wahlmöglichkeiten einschränken. Doch wir können sie beeinflussen, neutralisieren odr auch verdrängen …
Die Resilienzforschung kennt verschiedene Ansätze zu den Säulen und Einstellungen, die den Menschen gegen die verschiedenen Wechselfälle des Lebens, gegen Stress und Transformationsängste psychologisch widerstandsfähiger machen können. Mein Favorit ist auf der vorangehenden Abbildung zu sehen: sieben Resilienzfaktoren und drei lebensbedeutsame Grundeinstellungen.
Beginnen möchte ich bei den sieben Säulen, und hierbei mit der Akzeptanz.
Akzeptanz ist etwas, das wir nicht bekommen oder lediglich dulden. Akzeptanz ist eine aktive Positionierung, die auf Freiwilligkeit beruht. Es ist ein zustimmendes Werturteil, eine klare Parteinahme für einen Vorgang, eine Person oder eine Sache. Um seine Existenz, seinen Lebensweg zu akzeptieren, muss man sich mit der widersprüchlichen Umgebung, seinen persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten und den immer komplexeren Sachverhalten auseinandersetzen.
Akzeptanz beginnt u. a. mit der Einsicht, dass Vergangenes, so wie es verlaufen ist, unveränderbar bleibt. Diese oftmals von Zweifeln begleitete Erkenntnis verunsichert uns zwar, kann uns aber auch die Stärke verleihen, das bisherige Leben im Rückblick als geradlinig, stabil und wertbeständig zu verstehen. Es gab und gibt keinen Vergleich mit einem Weg B, den wir uns manchmal wünschen, weil wir ihn nicht gleichzeitig in einer parallelen Welt durchschreiten können. Was nicht mehr korrigiert werden kann, soll uns nicht beschämen, schuldbewusst und reumütig werden lassen, sondern uns Mut machen und Hoffnung geben, dass die Zukunft in der „Späten Freiheit“ weiterhin stimmig ist und schlüssig auf dem kausalen Prinzip von Ursache und Wirkung beruht – und damit verlässlich und beeinflussbar bleibt.
Grafik: Pixabay
Reinhold Niebuhr, einem US-amerikanischen Theologen, wird folgendes Zitat zugeschrieben, das die Qualität der Akzeptanz im Sinne einer Resilienzstärkung sehr gut widergibt:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Wenn Sie Ihre Akzeptanzfähigkeit weiter verbessern wollen, dann kann ich Ihnen folgende Übung vorschlagen: Finden Sie für zu Situationen oder Vorgängen, die Sie nicht selbst beeinflussen oder verändern können, eine positive Selbstzuschreibung, einen individuellen Kraftsatz, eine Affirmation, die Ihnen als Mensch, als Persönlichkeit, als einzigartiges Individuum weiterhin Lebensmut, Optimismus und Selbstwertstärkung verleiht. Eine solche Satzaussage könnte vielleicht sein:
„Auch wenn ich nicht die Macht habe, den Lauf der Dinge aufzuhalten und tatenlos zuschauen muss, wie Menschen sich gegenseitig ausbeuten und erniedrigen, bleibe ich in meiner persönlichen Kraft und Weisheit und liebe und schätze mich so, wie ich bin.“
Affirmationen stellen eine große therapeutische Unterstützung beim Akzeptieren und Überwinden von Wechselfällen des Lebens dar. Vielleicht fällt es Ihnen mit dieser Art von Selbstbestätigung auch leichter, das Ableben des Partners, den Tod eines nahen Verwandten oder langjährigen Weggefährten besser zu verkraften und wieder mehr Lust auf´s Leben zu bekommen. Oder Sie kommen mit einer geeigneten Selbstzuschreibung leichter mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Begleiter des reifen Alters zurecht, ohne gleich an Ihrem Gebrechen verzweifeln zu müssen. Die Palette der Möglichkeiten reicht weit …
Im nächsten Beitrag geht es um die Eigenverantwortung als zweite Säule der Resilienz. Bleiben Sie gespannt!
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße
Wolfgang Schiele (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für Senioren
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