
Vor einigen Wochen überlegte ich, wie ich einem „runden Geburtstagskind“ eine ganz persönliche Freude machen könnte. Und nach einigem Hin-und-Her-Überlegen fasste ich den Entschluss, ein Fotobuch über die letzten 10 Jahre anzulegen. In den verschiedenen Erholungsurlauben und auf den zurückliegenden Reisen (ja, es gibt einen sehr klaren Unterschied zwischen Reisen und Urlauben!) habe ich als Hobbyfotograf einen recht großen Fundus an Bildern zusammengetragen. Geschätzte 25.000 Fotografien!
Und die galt es erst einmal zu sichten, auszuwählen, zu sortieren, zu bearbeiten und neu zusammenzustellen. Da ich bereits qualitativ gute Erfahrungen mit einem Fotobuchhersteller gemacht hatte und mit dessen Programm auch recht passabel zurechtkam, konnte ich gleich loslegen. Die technische Seite war also ein Kinderspiel. Was mir schwerfiel, war, die Bilder zeitlich korrekt auf der biografischen timeline einzuordnen. Welches Bild entstand früher, welches später? Alles sollte schließlich seine biografisch exakte Reihenfolge im Fotobuch erhalten. Ich versuchte daher, mich in Gedanken an den zeitlichen Ablauf zu erinnern. Oder was unser Gehirn auch immer tut, um die eigene Biografie lückenlos nachvollziehen zu können.

Natürlich wäre es ein leichtes gewesen, die Kameradaten auszulesen. Aber dieses Mal wollte ich es bewusst nicht tun, denn mir lag viel daran, das eigene Gedächtnis zu testen. Obwohl es sich „lediglich“ um einen Zeitraum von 10 Jahren handelte, erwischte ich mich immer wieder bei Fehldatierungen. Was, wenn ich noch weitere zehn Jahre zurückginge und versuchte, Fotos den wirklichen Datümern zuzuweisen?
Bei der Sortierung der Bilder bemerkte ich, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der biografischen Zuordnung auf der timeline gab: Zum einen nach Kalenderjahren, und zum anderen nach den eigenen Lebensjahren. Ich landete die übergroße Zahl der Treffer über die richtige Fotozuordnung nach kalendarischer Reihenfolge. Nur dann, ausnahmsweise, wenn ich ein Bild mit einem markanten persönlichen Erlebnis in Beziehung setzen konnte, z. B. mit einem runden Geburtstag, mit einem Jubiläum oder mit einem signfikanten emotionalen Ereignis, landete ich Volltreffer nach verstrichenen Lebensjahren.
Diese empirische Beobachtung hatte ich bereits in meinen Workshops gemacht, wenn die Teilnehmer die Übung „Heldenreise“ absolvierten und auf einem Zahlenstrahl der Lebensjahre ihre emotional nachhaltigsten Erfahrungen markieren sollten – ihre „signifikanten emotionalen Erlebnisse“ (SEE). Wobei hier nicht nur die vermeintlich positiven, sondern auch die als negativ empfundenen Gefühle gemeint sind, weil sie alle unser Leben nachhaltig beeinflussen (siehe auch meinen Beitrag „Der Lebenslauf – Eine Workshopübung für angehende Ruheständler“ unter https://wp.me/p7Pnay-1bC). Die große Mehrheit der Teilnehmer orientierte sich an kalendarischen Daten und gelangte damit zu besseren Ergebnissen.

Bei der Rekonstruktion der Vergangenheit unterlaufen unserem Gehirn zeitliche Einordnungsfehler. Für eine korrekte Zuordnung benötigen wir offenbar eine Reihe zusätzlicher Anhaltspunkte. Immer, wenn ich an Hand der kalendarischen Zeitachse eine Zuordnung vornehmen wollte, rechnete ich fast automatisch mein Lebensalter aus, das ich in diesem Jahr erreicht hatte, und suchte nach Bestätigung. Und umgekehrt: Meinte ich, ein fotografisches Ereignis mit Hilfe meines Lebensalters einordnen zu können, war ich geneigt, das entsprechende Kalenderjahr dazu auszurechnen.
Versuchen Sie einmal, von heute an gedanklich die vorangegangenen Jahre durchzugehen, am besten an Hand Ihrer Urlaubsfotos (oder auch Reisen …). Wie viele Jahre rückwärts können Sie eine korrekte Urlaubszuordnung vornehmen und woran orientieren Sie sich dabei? Vielleicht stützen Sie sich auf ganz andere Kriterien, als (nur) die zeitlichen …
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!
Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2020 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de
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