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Mit dem Eintritt in die Rentnerzeit sind wir grundsätzlich nicht mehr verfügbar – zumindest für den bisherigen Arbeitgeber. Mit dem Übergang in den Ruhestand haben wir uns dem Zugriff fremder Auftraggeber entzogen. Wir sind frei, unabhängig, weisungsungebunden. Wir dürfen unsere Unverfügbarkeit ausleben …

Vor kurzem las ich auf einer sozialen Plattform, dass wir nun – im Alter – ein Leben in Akzeptanz und ohne Kontrolle sowie in Resonanz und ohne Effizienz leben können. So kann Gelassenheit und tiefere Lebensfreude entstehen und gedeihen.
Im Zusammenhang mit dem Unverfügbarkeitsgedanken möchte ich ein wenig näher auf die Resonanz eingehen – hier im nicht technischen Sinn!

Resonanz als Gegenpol zu emotionsloser Beschleunigung und Weltagonie, wie sie uns z. B. der Jenaer Soziologieprofessor Hartmut Rosa in seinem Buch „Resonanz – eine Soziologie der Weltbestimmung“ nahebringt. Damit sind die gegenseitigen Beziehungen zwischen Subjekten und Objekten, zwischen dem Menschen und der Welt, zu anderen Individuen, Gruppen oder Vereinigungen gemeint. Und wie sie empfunden werden: als wechselseitig tief berührende Momente, als ressourcenfördernde Impulse, als gegenseitig gewinnbringende Erkenntnisse. Oder auch als ihre Gegenteile – beides ist möglich.

Für mich heißt das: Im Alter meine Aktivitäten zu entschleunigen, mich nicht unter Kontrollzwang setzen zu lassen und den wechselseitigen, achtsamen Austausch mit der Natur und den Menschen um mich herum zu suchen. Es sollte wie im physikalischen Sinn des Wortes ein Mitschwingen auf derselben geistigen Wellenlänge sein, ein Austausch, der die Verbundenheit zwischen den Phänomenen dieser Welt vertieft und zu wertvollen, angereicherten Resonanzmustern in uns führt.

Ich glaube, dass eine der Voraussetzungen für Resonanz unsere Unverfügbarkeit für Dritte ist, das Losgetrenntsein von Zwängen und Verpflichtungen, Unterwerfungen und Rechtfertigungen. Auch in dem Sinne, dass wir selbst darüber befinden und entscheiden können, was wir tun wollen und wann, wo und wie viel wir tätig sein möchten. Denn Unverfügbarkeit für Dritte bedeutet auch, allein für sich selbst und seine Ideale aktiv zu bleiben.

Übrigens: Australien hat es in meinen Augen gerade richtig gemacht und ein „Gesetz über die Unerreichbarkeit nach Feierabend“ verabschiedet. Arbeitnehmer sind danach nicht mehr verpflichtet, nach Arbeitsschluss für den Arbeitsgeber erreichbar zu sein und können Kontaktversuche aktiv verweigern. Ein erster (gesetzlicher) Schritt in Richtung Unverfügbarkeit vor der Rente. Wann kommt es in Deutschland dazu?

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele

Freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für angehende Senioren

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