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Unser Fokus auf die Welt

Kinder defokussieren mehr. Deshalb sind sie weniger konzentriert auf eine Sache, einen Vorgang. Weil sie in einer Welt mit weit mehr Sinnesverarbeitung leben als wir Erwachsenen – und was möglicherweise auch zu Hyperaktivität führt …

Unsere Erwachsenen-Erlebenswelt ist weitaus eingeschränkter, weil fokussierter, konzentrierter auf einige wenige Punkte in unserer Umgebung. Das „verdanken“ wir u. a. auch der fortschreitenden Digitalisierung. Die auf einen Bildschirm – sei es auf den PC, das Smartphone, das Tablet oder den Fernseher – ausgerichtete Konzentration blendet unsere analoge Umgebung zu 90 und mehr Prozent aus. Wir verzichten auf viele Reize der natürlichen Welt, ja: Wir schalten sie sogar bewusst aus und um auf „Cyberspace-Modus“.

Probieren Sie peripheres Sehen gleich mal aus!

Haben Sie schon mal ausprobiert wie es ist, wenn Sie Ihren Blick defokussieren, d. h. unscharf stellen? Wenn Sie es nicht gewohnt sind, kostet es Sie ein wenig Mühe und Sie müssen erst einmal herausbekommen, welche „Augenmuskeln“ genau Sie anstrengen oder entspannen müssen, um eine visuelle Unschärfe zu erzeugen … Wenn Sie sich dazu noch in eine Haltung des „interessenlosen Wohlgefallens“ begeben, dann eröffnen sich Ihnen völlig neue Kanäle in der Wahrnehmung über Ihre Unwelt bzw. das kollektive Verhalten Ihrer Zuhörerschaft im Seminarkontext.

Was sich mit einem „entschärften Blick“ alles erkennen und wahrnehmen lässt …

In bestimmten Lebenssituationen kann Ihnen das periphere Sehen völlig neue  Einsichten und Erkenntnisse bringen. Es erleichtert Ihnen z. B. die Mustererkennung. Wenn Sie z. B. vor einer Gruppe stehen, dann gelingt es Ihnen viel besser, Körperreaktionen, Gefühlsregungen und Bewegungsmuster der Anwesenden wahrzunehmen … Und obwohl Ihnen im Moment Ihres Vortrages diese äußeren Vorgänge gar nicht bewusst werden: sie hinterlassen in Ihnen eine Bild-, Ton- und Gefühlsspur. Sie sind kurz danach bereits in der Lage, sehr genau zu beschreiben, wie sich Menschen an der „Peripherie Ihrer Wahrnehmung“ verhalten haben und welche Emotionen das in Ihnen ausgelöst hat.

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Die Anwesenden, insbesondere die, denen Sie nicht direkt in die Augen schauen, fühlen sich in aller Regel unbeobachtet. Testen Sie es probeweise einmal und sprechen Sie ganz konkret einen Teilnehmer Ihres Events an, der ganz rechts oder links außen sitzt und sich aus seiner „Tarnung“ heraus bewusst unauffällig oder schelmisch zu Ihren Ausführungen geäußert hat. Sprechen Sie ihn daraufhin ruhig und gelassen an. Vielleicht denkt er: „Erwischt! Aber wie hat er das denn mitbekommen …?“

Das informationelle Gruppenwesen

Mit dem peripheren Sehen erschließt sich Ihnen auch das „informationelle Gruppenwesen“ viel besser. Das liegt daran, dass sich im Gegensatz zum fovealen Sehen – ein auf die Sehgrube im Zentrum des sogenannten Gelben Flecks bezogenes Sehen – viel mehr Sehzellen zu Gruppen bündeln, die gemeinsam eine sehr hohe Abtastfrequenz in der entlegeneren Umgebung erreichen. Beim sequentiellen Betrachten eines festen Punktes liegt diese Frequenz nur bei einem Bruchteil. Diese Fähigkeit bringt Ordnung in den zunächst chaotischen Strom der visuellen Sinneswahrnehmung: Wir konzentrieren uns. Peripheres Sehen hingegen bewahrt die Gesamtinformation des Gruppenverhaltens. Und verrät Ihnen viel über die kollektive Befindlichkeit, die Haltung der Gruppe zum Thema und zum Vortragenden selbst.

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele

© Wolfgang Schiele | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de