Die FAM AG, die allgegenwärtigen Fünf (Facebook, Amazon, Microsoft, Apple und Google) rühmen sich, auf dem besten Wege zur künstlichen Intelligenz zu sein. Aber manchmal schaffen sie es nicht einmal, mich mit halbwegs intelligenten Angeboten für zweifelhafte Einkäufe zu ködern …

So erhalte ich regelmäßig Angebote für ein Buch, das ich selbst geschrieben habe! Gratulation, hier hat der Algorithmierer offensichtlich vergessen, den Namen des Autors mit dem Namen des Umworbenen abzugleichen. Denn wer kauft schon sein eigenes Buch bei amazon, denn i. d. R. erhält der Autor kostenfreie Exemplare und der Autorenkauf über den Verlag ist ausnahmslos rabattiert. Oder die wiederholte Aufforderung, doch das bereits gekaufte Produkt wieder zu erwerben, wie z. B. eine mittelpreisige Kamera, die ich vor Kurzen erstanden habe. Und das nicht nur einmal, sondern in sich ständig wiederholender Gleichmäßigkeit und Stumpfsinnigkeit … Kein gerade treffsicheres Prognosemodell für mein zukünftiges Verkaufsverhalten und die Umsatzambitionen der FAM AG. Und wenn ich darüber hinaus noch über den Ausbaugrad und die Qualität der digitalen Netze in meiner unmittelbaren Umgebung nachdenke, dann liegt für mich alltagstaugliche künstliche Intelligenz gefühlt in weiter, weiter Ferne …

„Künstliche Intelligenz“ – der Begriff stammt einigen Quellen zufolge von einem John McCarthy, der den Begriff 1956 auf einer Konferenz in Darthmouth erstmals geprägt haben soll. Was vor über 60 Jahren den genauen Hintergrund ausmachte, habe ich nicht weiter recherchiert. Ist ja auch egal – er ist in aller Munde und läßt heute sowohl Endzeitgedanken als auch Erlöserfantasien aufkommen.

Mit Kunst hat künstliche Intelligenz in meinen Augen allerdings bisher nichts zu tun (siehe oben). Noch immer ist es nämlich reine Mathematik, Logik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Von kalkulierenden Menschen beschriebene Kausalitätsketten mit der Fähigkeit, auf eine begrenzte Anzahl von Störgrößen zu reagieren. Noch immer basiert die KI auf den humanoiden Denkschemata und den natürlich erworbenen menschlichen Erfahrungen und Abstraktionen. Es existiert nichts in dieser digitalen Welt, was nicht durch das menschliche Bewusstsein geschaffen wurde. Damit bleibt es unvollkommen und gleichzeitg auch fehlerhaft sowie: natürlich. Nicht künstlich. Es würde m. E. erst dann KI sein, wenn es sich unserem Verstand nicht mehr erschlösse – also von „außer“menschlicher Vernunft geprägt wäre oder als „Eigenschöpfung“ durch die Tätigkeit von Maschinen entstünde. In einer Zeit, in der wir immer noch unterschiediche und vor allem unvollkommene Vorstellungen über unsere eigene Psyche haben, bezweifle ich, ob Bewusstsein überhaupt durch Algorithmen beschreibbar sein wird …

Klar, die KI kann heute mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus den Gesichtszügen von Menschen ablesen, in welchem möglichen Gefühlszustand sie sich befinden. Allerdings ist sie weder in der Lage, verdeckte Transaktionen in der Kommunikation zu erkennen oder ein Psychospiel mit uns zu spielen. Oder ein Buch wie „Harry Potter“ zu ersinnen. Dazu fehlt ihr der komplette Reigen angeborener und sozialisierter Emotionen und die Klaviatur gesammelter sprachmodellierender Erfahrungen. Und die Fähigkeit zu reflektieren und z. B. den eigenen Reifungs- und Alterungsprozess zu verstehen. Erst wenn sie, die Maschinen, trauern über den Verlust von Öl oder einer Schraube, wenn sie Freude oder Schmerz empfinden beim Eingriff eines IT-Ingenieurs mit seinem Programmiergerät, in Panik geraten beim Einsturz ihres Arbeitsortes während eines Erdbebens oder Sehnsucht entwickeln nach einem Ort der Ruhe und Entspannung – dann gehe ich ansatzweise mit und attestiere ihnen so etwas wie künstliche Intelligenz. Alles andere ist KN, „künstliche Narretei“ … Eine „Intelligenz“, die weder über intrinsische Motivation verfügt noch an einer psychiatrischen Störung, wie z. B. Schizophrenie oder an PTBS, erkranken kann, ist keine künstliche Intelligenz. Sie ist das Ergebnis unvollkommenen und schlecht kopierten Nachäffens und bewegt sich nicht einmal ansatzweise auf dem Niveau eines Primaten. Bisher befinden sich die Entwickler der KI auf dem Niveau des Modellierens und Kopierens von menschengemachten und -erdachten Prozessen und tun sich schwer, die Intelligenz zu verkünstlichen …

Noch immer ist nicht einmal der Ansatz einer das menschliche Bewusstsein ablösenden Intelligenz in Sicht. Das liegt u. a. daran, weil es keine ausreichend vernetzte, Disziplinen übergreifende Forschung gibt. Die Forscher – allen voran die IT-lastigen – unterschätzen die Tricks der Natur, aus dem „Phänomen Hirnsubstanz“ Bilder, Phantasien, Gedanken und Emotionen zu produzieren. Gerhard Roth, einer der führenden Neurowissenschaftler in Deutschland, hat in seinem Buch „Wie das Gehirn die Seele macht“ den Versuch unternommen, eine Brücke von der (Denk-)Materie zum menschlichen Bewusstsein zu schlagen. Und ist selbst als Neurologe und Spezialist für bildgebende Verfahren kläglich gescheitert. Wenn wir nicht einmal unsere eigene natürliche Intelligenz beschreiben und erklären können, wie wollen wir dann eine künstliche konstruieren?

Ich glaube, künstliche Intelligenz – wenn es sie denn gäbe – können wir gar nicht erkennen. Wir können vielleicht eines Tages unsere natürliche Intelligenz erfassen, verstehen und nutzen. Dazu hat uns die Natur mit den für diese Welt erforderlichen Rezeptoren ausgestattet und einen Denkapparat mitgeliefert, damit wir in unserem Teil des Universum eine Überlebenschance haben. Wer den Film „Matrix“ kennt, weiß, wovon ich gerade schreibe. Vorgestern saß ich in einem thailändischen Restaurant. In der Mitte stand ein riesiges Meerwasseraquarium. Wegen der großen Hitze waren die Türen des Serviceteiles geöffnet. In etwa zwei Kubikmetern Rauminhalt unter dem Aquarium war die hochkomplizierte Technik zu sehen. Den bunten exotischen Fischen wird nie bewusst sein (wenn sie über ein solches verfügen sollten), was sie am fröhlichen und agilen Leben außerhalb ihrer natürlichen Welt erhält …

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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