Foto: Wolfgang Schiele

Zweckdenken oder Fantasiegebilde? Wie haben wir die Welt als Kinder gesehen und wie nehmen wir sie heute, als reife erwachsene Menschen wahr? Begehen wir eher Denkfehler im beruflichen Leben, weil uns die kindliche Naivität verloren gegangen zu sein scheint? Oder sind wir auf Gedeih und Verderb dazu verdammt, alles streng rational zu betrachten, um in unserer Welt überleben zu können?

Die westliche Welt betrachtet Kinder immer noch als unfertige, defizitäre Erwachsene. Sie hätten es offensichtlich noch nicht verstanden, die Folgen ihres Tuns zu bewerten und müssen erst noch Wissen ansammeln und später Weisheit erwerben. Was Erwachsene den Kindern voraushätten, wäre ihre rationale Beurteilung der Welt. Ihr „reifes“ Handeln sei auf Zweckmäßigkeit gerichtet, die spielerische und mühelose Leichtigkeit des kindlichen Seins ist einer kühlen und sachlichen Bewertung der Lebensumstände gewichen.

Aber liegt nicht in der kindlichen Naivität eine große Stärke, die uns abhanden gekommen ist? Die uns sogar regelrecht abtrainiert wurde? In einer „total verwalteten Gesellschaft“ (Max Horkheimer), die ausschließlich einer „instrumentellen Vernunft“ (Theodor Adorno) folgt, hat anscheinend das Naive, das Schlichte und das Unbedarfte der Kindheit und frühen Jugend keinen Platz mehr. Doch weit gefehlt, so denke ich.

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Kinder sind unwahrscheinlich lernfähig. Sie erproben und testen die Welt. Sind unglaublich flexibel und frei im Denken und Handeln. Sie leben noch frei von den Konventionen, Regeln und Normen, die wir uns als Erwachsene auferlegt haben. Oder anders gesagt: Sie leben in einem anderen Bewusstheitszustand. Kurz: Erwachsene nutzen die Welt aus, Kinder erkunden sie. „Explore“ oder „exploit“ – darin liegt der Unterschied. Oder mit Frageworten formuliert: Kinder fragen „Warum?“ und testen die Welt und die Menschen aus, Erwachsene fragen mit „Was?“ und „Wie“? und nützen es aus oder (miss-)brauchen die Menschen und die Welt.

Sind wir, die wir das Berufsleben verlassen haben, nicht in einer beneidenswerten Situation? Wir können jetzt wieder zurückzukehren in die Naivität der Kindheit, in der wir nicht anwenden, was wir wissen, sondern staunen und uns wundern dürfen? Den Vorteil zu genießen, das zweckmäßige, effiziente und erfolgsorientierte Denken abzulegen, und das Wundern, Staunen und Überraschtsein neu zu entdecken?

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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