In der Gestalttheorie gibt es einen Effekt, der bereits 1929 vom deutschen Psychologen Wolfgang Köhler beschrieben wurde. Es ist die Ähnlichkeit zwischen der lautlichen Form von Worten und der geometrischen Form von Figuren. So klingen Namen, die viele A, O oder U geschmeidiger und harmonischer als Namen, die viele I und E enthalten. (Man nennt die ersteren auch dunkle und die letzteren helle Vokale.) Vergleichen Sie selbst: Welcher Vorname klingt „schärfer und spitzer“, welcher „runder und geschwungener“: Brigitte oder Ramona?
Wir sprechen hier vom „KIKI-BOUBA-Effekt“.

Aber langsam: In den fünf menschlichen Wahrnehmungssystemen [V = visuell, A = auditiv, K = kinästhetisch (fühlen), O = olfaktorisch (riechen), G = gustatorisch (schmecken) – kurz auch VAKOG genannt] gibt es für bestimmte Oberbegriffe verschiedene Untereigenschaften, auch als Submodalitäten bezeichnet. So existieren für den Oberbegriff Intensität in allen Sinneskanälen jeweils Gegenstücke: Für das Sehen die Helligkeit, für das Hören die Lautstärke, für das Fühlen der Druck und für Riechen und Schmecken die Konzentration. Andere Entsprechungen für den Oberbegriff Form wären die Gestalt, das (Klang-)Muster, die Haptik und die Konsistenz.

Und damit sind wir auch schon im Bereich der sog. „Synästhesien“: Einem Phänomen, das sich mit Entsprechungen oder Überkreuzungen in unseren fünf menschlichen Repräsentationssystemen auseinandersetzt. Vielleicht kennen Sie Menschen in Ihrem Umfeld, die visuelle oder auditive Wahrnehmungen zeitgleich mit anderen Repräsentationen verbinden. Z. B. solche Menschen, für die Buchstaben und Zahlen unterschiedliche Farben annehmen. Oder Konzertfreunde, die die Laute des Orchesters zugleich als herunterfallende geometrische Formen empfinden. Oder auch Menschen, die Wochentage mit einer bestimmten Tonlage verbinden.

Für mich haben Fotografien durchaus das Potenzial für den „Kiki-Bouba-Effekt“. Selbst an verschiedenen Blumenporträts (siehe die beiden Beispiele hier in diesem Beitrag) kann man das selbst testen. Was meinen Sie: Welches ist nach Ihrem Eindruck ein „Bouba“ und welches ein „Kiki“? Und es gibt sogar „Fotosynästhesien“! Eine dominierende Farbe oder geometrische Figuren im Bild sind oftmals Auslöser („Inducer“) synästhetischer Wahrnehmungen („Concurrents“). So kann es sein, dass der Synästhet beim Betrachten rechteckiger Figuren einen bestimmten Ton hört oder bei einem rotfarbenen Motiv einen süßlichen Geschmack wahrnimmt. Zur Klarstellung: Mit Synästhesien sind hier nicht die Erinnerungs- oder Affektbrücken zu früheren Ereignissen gemeint, sondern die immer wieder gleiche Überkreuzung mit einer fest verbundenen zweiten Sinneswahrnehmung.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr freiwillig emeritierter (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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