Warum wollen eigentlich so viele Menschen um die 60 in den Ruhestand? Warum opfern sie den lebenslangen, und manchmal gar nicht geringen Abschlag von der Rente? Warum fliehen sie die Arbeitswelt und marschieren schnurstracks in den Ruhestand? Was macht die Rente mit 63 so attraktiv? Oder besser: Was erspare ich mir, wenn ich die erstbeste Gelegenheit nutze und mich aus dem Berufsleben verabschiede?
Die Zahl derer, die die Gelegenheit nutzen, entweder über Vorruhestandsregelungen oder über die Rente mit 63 aus dem Berufsleben scheiden, wächst ständig. Dabei nehmen sehr viel von ihnen auch hohe Abschläge von der Altersrente in Kauf.
Warum das so ist und die Menschen zum frühestmöglichen Termin ein freiwilliges Outplacement aus dem Beruf bevorzugen, hat mannigfaltige Gründe. Was mir im Vergleich zum abhängigen Arbeitsverhältnis gefällt und was ich (erst) jetzt im Ruhestand ausleben kann, sind folgende 10 grundsätzliche Dinge:
1. Ich lebe ausschließlich selbstbestimmt und muss keine Vorgaben dritter Personen oder Organisationen mehr einhalten.
2. Ich bin Herr über meine Zeit und gestalte selbstständig meine Lebens- und Tätigkeitsabläufe.
3. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen und mich für meine Arbeitsergebnisse rechtfertigen.
4. Ich bin frei in der Wahl aller meiner Aktivitäten, die ich jederzeit beginnen und auch wieder beenden kann.
5. Ich bin niemandem zu Loyalität, Treue und Diskretion verpflichtet.
6. Ich kann meine individuellen Werte ausleben und selbstgewählte soziale Rollen besetzen – und sie auch wieder verändern oder verlassen.
7. Ich darf lernen, was mir Spaß macht und mir all die Fertigkeiten aneignen, die wirklich zu mir passen.
8. Ich vertrete meine ureigenen Überzeugungen, realisiere meinen Eigensinn und widerstehe opportunistischen Verlockungen.
9. Ich bin frei in der Wahl von Zugehörigkeiten – sowohl gegenüber Einzelpersonen, sozialen Gruppen oder Parteien.
10. Ich gebe meiner Existenz einen klaren Lebenssinn und folge meinen Sehnsüchten.
Zugegeben: Punkt 10 mag nicht jedermanns Sache sein. Aber für mich bilden die vorgenannten Gründe zusammengenommen so etwas wie mein ganz persönliches „Ruhestands-Manifest“ …
Vielleicht ist die Liste der „späten Freiheiten“ nicht ganz vollständig. Die vielen hunderttausend Menschen, die in jährlich in die 63er Rente gehen, werden vielleicht mehr unbewusst als bewusst aus dem einen oder anderen Grund – oder sogar mehreren Anlässen gleichzeitig – aus dem Berufsleben ausscheiden. Was auch viel darüber aussagt, was im beruflichen Kontext nicht stimmig war oder als demotivierend im professionellen Leben empfunden wurde.
Man kann es zusammenfassend auch so ausdrücken: Wir kommen vom „Müssen“ und vom „Sollen“ über´s „Wollen“zum „Dürfen“ und zum „Können“. Da liegt der Quantensprung. Die Modaloperatoren, wie meine Deutschlehrerin sagen würde, verändern sich im Lebenslauf – und besonders einschneidend an der Schwelle vom Beruf zum Ruhestand. Wir reifen zu freidenkenden und autarken Menschen, wenn wir den Schauplatz fremdbestimmter Arbeit verlassen (müssen, wollen, dürfen, können … ).
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!
Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren Wolfgang Schiele
Nach fast 10 Jahren, in denen ich in Sachen „Changemanagement vom Beruf in den Ruhestand“ in Unternehmen und Organisationen unterwegs bin, hat sich eine Tendenz immer wieder bestätigt: Die übergroße Mehrheit der Arbeitnehmer will so schnell wie möglich raus aus der Arbeit und rein in die Rente!
Ziemlich genau 10 Jahre ist es her, als ich infolge einer viel zu frühen Altersteilzeitregelung meine (nach-)berufliche Ausrichtung veränderte. In der tiefen Überzeugung, dass ich mit 58 Jahren noch nicht wirklich in den Ruhestand gehen wollte, suchte ich nach Angeboten, die als berufsbegleitender Bildungsurlaub angerechnet wurden. Damit wollte ich für meine geistige Neuausrichtung sowohl 10 Tage bezahlte Freistellung erwirken als auch das Finanzamt an meinen Aufwendungen teilhaben lassen. Im umfangreichen Bildungsangebot fand ich bald eine anerkannte Weiterbildungsmöglichkeit: Eine 20tägige Ausbildung zum NLP-Practitioner in Berlin beim „spectrum Kommunikationstraining“. Damit begann mein ganz persönlicher Transformationsprozess …
Bertram Kasper, ein Altersvisionär, Blogger, Autor und Businesscoach, hat mir vor einiger Zeit die Gelegenheit gegeben, einen Beitrag für seinen 60+ Podcast mitzugestalten. Nun ist das Telefon-Interview der Reihe „Gelassen älter werden“ hinzugefügt und kann hier abgehört werden: „Sich mit 55 neu erfinden“. Über den folgenden Link erreichen Sie die entsprechende Seite. Viel Spaß beim Hören!
Ich mochte den Begriff und die damit empfohlene Art der Lebensgestaltung früher überhaupt nicht: Work-Life-Balance. Es war für mich, als ob ein Äquilibrist, der auf einen Brettchen mit darunter liegender Rolle oder Kugel stand, im ständigen Überlebenskampf um sein Gleichgewicht war. Mit mehr oder weniger sanften Bewegungen müht er sich ab, auf dem Brett zu bleiben. Wie viel Geschick bedarf es, welcher langjähriger Übung, die Balance zu halten. Auch im wirklichen Leben. Gar nicht zu sprechen von der Aufmerksamkeit und der Unmenge an Kraft und Energie, die er jeden Moment aufbringen muss.
Wenn wir die Arbeitswelt – also unser angestammtes berufliches Umfeld – verlassen, dann geht uns etwas sehr Wichtiges im Leben verloren: Die Zugehörigkeit zu einer großen Gruppe von Menschen, mit denen wir viele Jahre oder gar Jahrzehnte lang fachliche und berufliche Inhalte geteilt haben.
Gerade in der heutigen Zeit, in der die Mehrheit der Deutschen das 50. Lebensjahr überschritten hat, sollte der Fortbildung für diese Altersgruppe einen ganz besonderen Stellenwert erhalten. Zumal die Zunahme des Wissens mit der 4. technischen Revolution eine nie gekannte Geschwindigkeit angenommen hat und sich komplette Arbeitswelten von analog auf digital umstellen.