Grafik: Pixabay

Hier nun Teil 2 meiner Gedanken zum aktuellen Weltmodell.

Halten wir fest: Die Beschreibung der aktuellen Welt mit dem Akronym BANI ist passgenauer als die frühere mit dem Akronym VUCA. Denn je genauer wir das, was um uns herum passiert, beschreiben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir damit besser umgehen können. Deshalb benötigen wir auch neue und exaktere Worte und Begrifflichkeiten, um uns das ganze Ausmaß der Veränderungen bewusst und begreifbar zu machen. Erst dann verstehen wir, welche globalen Strömungen für uns eine echte Gefahr werden können.
Wenn wir z. B. wissen, wie es um die Belastungsgrenzen unserer Lebenswelt steht, dann können wir versuchen, die Biosphäre, in der wir leben, mit den uns zur Verfügung stehenden materiellen und technischen Möglichkeiten wieder in einen stabilen Zustand zurückzuführen (Untersuchungen zeigen z. B., dass bei der chemischen Belastung, den biogeochemischen Kreisläufen und der genetischen Biodiversität die irreversiblen Kipppunkte bereits erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten sind. Für andere wiederum haben wir noch keine Grenze bestimmen können, wie z. B. zu Landnutzungsänderungen und zur Aerosolbelastung der Erde – F. Habekuss, in DIE ZEIT N.° 5 2022). Das hat etwas mit dem „Konzept der planetaren Grenzen“ zu tun, die W. Steffen und J. Rockström vom Bundesumweltamt entworfen und beschrieben haben …

Wenn wir nun über einen exakten beschreibenden Ansatz verfügen, dann eröffnen sich Überlegungen und Gelegenheiten, den Herausforderungen konkret und zweckmäßig entgegenzutreten. Stephan Grabmeyer, ein Zukunftsforscher, hat mit folgender Grafik ein Gesamtbild des Paradigmenwechsels zwischen der „alten“ und der „neuen“ Welt gezeichnet. Uns interessiert an dieser Stelle insbesondere der untere Teil, der Ansätze für mögliche Lösungen bieten kann.

Mit freundlicher Genehmigung durch Stephan Grabmeyer

Der BANI-Ansatz liefert neue Erkenntnisse für die adäquate Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der auf uns zukommenden Zeit. Der Brüchigkeit könnte man beispielsweise durch eine bessere Resilienz und eine höhere Belastbarkeit begegnen. Angst lässt sich mildern oder gar ganz beseitigen durch Achtsamkeit und Empathie. Für die Auseinandersetzung mit der Nichtlinearität könnten ein besseres Verständnis zu dem uns umgebenden Kontext und eine größere Adaptabilität an gesellschaftliche Umstände zielführend sein. Und dem Unbegreiflichen und Unverständlichen kann man mit Intuition und Transparenz zu Leibe rücken. So könnte das durch die Anfangsbuchstaben entstehende Akronym RAKI zu einem Impulsgeber werden, der der existenziell bedrohten Welt wieder auf die Beine hilft …

Resiliente Systeme – egal, ob auf das Individuum, auf Organisationen oder andere Zusammenhänge bezogen – verfügen über die Eigenschaft, schnell und ohne wesentliche Beeinträchtigungen wieder in den funktionierenden Ausgangszustand zurückzukehren – und ggf. dabei sogar zu wachsen. Die Fähigkeit, sich klug und geschickt nach Ausweichvarianten umzuschauen, Flexibilitätsreserven zu heben und Nischenpositionen einzunehmen – ohne immer nur eine Gewinnmaximierung und Machtfülle im Sinn zu haben – sichert das Überleben des Einzelnen und ganzer Institutionen. Wenn wir es lernen, mit Stressoren flexibel umzugehen, dann steigt nicht nur unsere persönliche seelische Belastbarkeit, sondern auch die Widerstandskraft von Unternehmen und Gesellschaften.

Foto: Wolfgang Schiele

Achtsamkeit ist eine Funktion der Emotionsregulation. Wenn wir unser allgegenwärtiges Streben nach permanenter Beurteilung und Bewertung einmal ablegen, dann kommen wir in einer angstmachenden Welt zu besseren Entscheidungen. Wir müssen es lernen, das katastrophierende Gehirn (in uns und in Organisationen) zu zügeln und nach durchlebten Hemmungen und Hilflosigkeiten wieder handlungsfähig zu werden. Kurzzeitentspannungen und immer wieder in den Alltag eingeschobene Meditationen, die nicht länger als eine Minute dauern müssen, befähigen uns zu besserer Selbststeuerung und geben uns Mut für gute, eigene Entscheidungen. Die Schulung der Empathie durch das unvoreingenommene Achten, Beachten und Beobachten von Menschen, Ideen und Situationen löscht unsere Ängste aus und stärkt das Vertrauen in uns und die Welt als erlebenswerten Ort.

Mit den Nichtlinearitäten der aktuellen Welt ist es wie mit der Heisenbergschen Unschärferelation: Charakter, Funktionen und Eigenschaften von Vorgängen in der Welt sind nicht mehr klar bestimmbar. Wie in der Quantenphysik können die Weltphänomene nicht nur bloß wahr oder unwahr sein, sondern jeden beliebigen Zustand dazwischen annehmen. Inputs in die Welt von heute werden erst in Jahrzehnten messbar, Kausalitäten sind plötzlich obsolet und eintretende Auswirkungen infolge unseres Tuns entziehen sich unserem Verständnis. Da wir das „Außen“ nicht verändern können, müssen wir uns den Bedingungen nach innen hin anpassen, den Kontext neu denken und begreifen. Unser Überleben hängt davon ab, ob Anpassung gelingt. Adaptabilität wird zu einer der wichtigsten Fähigkeiten, um im Wirrwarr und Zickzack der Welt nicht zu versagen. Es ist nicht mehr wichtig, möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen, sondern mit dem Vorgefundenen bestmöglich umzugehen.

Was um uns herum geschieht, wird immer absurder und unverständlicher. Logisches Denken allein genügt nicht mehr. Das, was wir am Anfang noch zielgenau programmieren konnten, verselbstständigt sich immer mehr. Künstliche Intelligenz baut autonome Systeme auf, deren Entscheidungen wir – zumindest zurzeit – nicht mehr verstehen. Algorithmen beherrschen die Welt und entfalten sowohl ihre Wirtschaftsmacht als auch die Datenhoheit über uns Menschen. Für uns ist es überlebensnotwendig, Nachrichten von Meinungen, Fakten von Fakes trennen und damit für Transparenz in der Welt sorgen. Wir sind angehalten, den Informationen dieser Welt Struktur zu verleihen. Wir benötigen neue Blickwinkel und sollten uns – wie im „4-MAT-Modell“ von Bernice McCarthy – nach dem Warum?, dem Wie?, dem Was? und dem Wozu? erkundigen. Und ggf. unsere bisherige Logik auch mit Emotionen und Intuition anreichern. Denn letztere ist das letzte Unterpfand der Menschheit im Kampf gegen KI und einen drohenden Sinnverlust in einer digital dominierten Welt.

PS: Teil 1 finden Sie übrigens hier: https://wp.me/p7Pnay-3Kr

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

© Wolfgang Schiele 2022, überarbeitet 2023 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de