Sie entstehen in milliardenfacher Ausfertigung, und das wahrscheinlich sogar täglich – Fotos. Insbesondere mit unseren Smartphones (von denen es mehr gibt als Menschen die Erde bevölkern). Weniger mit den professionellen Kameras, deren Verkaufszahlen (leider) rasant abstürzen. Ist ja auch nachzuvollziehen – mit dem Fotoapparat kann man nicht telefonieren, mit dem Smartphone wohl – und eben auch fotografieren. Obwohl ich fast meine, dass sein ursprünglicher Zweck (ähnlich wie bei der Fotokamera) langsam, aber sicher, verlorengeht. Es wird – wenn ich meine Umgebung beobachte – weniger telefoniert als fotografiert (pardon: eher geknipst), zumindest was die Datenvolumina angeht 😉
Nach einigen Wochen der Vertiefung in wiederaufgefundene Tagebücher aus meiner Jugendzeit erwische ich mich dabei, wie ich meine Lebensphasen neu bewerte. Bemerkenswert erscheint mir, dass die Zeit der Berufsausübung für mich eine weniger wichtige und erinnerungswürdige Zeit ist als die 20 Jahre davor und die 10 Jahre danach. Die Zeit dazwischen scheint wie ausgeblendet, leerer und bedeutungsloser. Es ist, als stünde man auf einem hohen, breiten und erhabenen Erinnerungshügel und schaute in die Ferne – hinweg über die sanften Hänge und ausgebreiteten Ebenen des vormals Professionellen in Richtung Lebensstart – dorthin, wo sich Himmel und Erde treffen, als hätten sie sich etwas Wichtiges zu erzählen. Und das, was sich zwischen dem eigenen Aussichtspunkt und dem wie mit einem Lineal gezogenen Horizont am Bildrand befindet, hat kaum noch Bedeutung, findet keine wirkliche Beachtung …
Über keine meiner Lebensphasen habe ich so viele Bilder über mich selbst als aus der Zeitspanne zwischen meinem 17. und 25. Lebensjahr. Vielleicht, weil ich in meiner Jugend nach mir selbst suchte, nach meiner Mission, nach meinem Bild von der Welt. Vielleicht, weil im testenden und tastenden (Erst-)Kontakt mit den Mädels meiner Zeit auch immer gedruckte Fotos ausgetauscht wurden (nein, es gab noch kein Handy, noch kein Internet, kein Instagram …!). Und sich auf den Rückseiten kurze Notizen, Stories oder Anmerkungen zur Situation befanden, was die heutige Einordnung und Datierung erleichtert. Bilder aus dieser Zeit sind die wohl wirkmächtigsten Regressionsauslöser …
Es fängt ganz harmlos und unaufgeregt an – aber dann! Seit sechs Tagen sortiere ich mein Büro neu. Schon nach kurzer Zeit gestaltete sich der Plan, die mich umgebende Arbeitswelt nach meiner Zeit als Trainer und Coach neu zu ordnen, zu einer unerwarteten Sisyphosaufgabe. Ich kam mir vor wie bei einer vorgezogenen Nachlasssichtung (und kann nunmehr gut nachempfinden, was Menschen nach meinem Ableben für Arbeit mit meinen Hinterlassenschaften haben werden). Im untersten Fach meines langjährigen Büroschrankes stieß ich auf zwei Pakete zusammengeknoteter Hefte, Kladden und Notizbücher. Ihre Existenz war mir zwar noch bewusst, aber die Inhalte waren gedanklich längst zur Unkenntlichkeit verblasst. Ich knotete das erste Bündel auf, nahm das oberste Heft in die Hand, blätterte in einem meiner ersten Tagebücher …
Wenn man vom „Drei-Instanzen-Modell“ der Psyche von Siegmund Freud ausgeht, dann befindet sich das ICH, unser Verstand, im Spannungsfeld unseres ES, das dem Lustprinzip folgt, und unseres ÜBER-ICHs, das als moralische Instanz arbeitet. Um in diesem Zwiespalt, diesem Kontrast, eine reelle Überlebenschance zu haben, hat sich unser Gehirn Kompensations- und Bewältigungsmechanismen zugelegt, die innerseelische und zwischenmenschliche Konflikte verarbeiten können. Es ist wohl Anna Freud, der Tochter des großen Psychoanalytikers zu verdanken, dass wir heute über eine umfangreiche Vielfalt von gut beschriebenen und alltagstauglichen Abwehrmechanismen verfügen, die verständlich und einleuchtend sind.
Wozu soll daran eigentlich gut sein, was der Schiele da macht? Da berät oder coacht oder trainiert ein ausgebildeter Coach mit Heilerlaubnis und einem Dutzend Weiterbildungen mit therapeutischem Hintergrund Endfünfziger oder startende Sechziger für den Eintritt in ihren Ruhestand. Und die bezahlen ihn auch noch dafür! Als ob diese Leute nicht selbst darauf kommen würden, wie man eine glückliche dritte Lebensphase auslebt, wenn sie nur ein klein wenig nachdenken würden …
Schön wär´s. Aber die Realität zeigt, dass eine große Zahl von Menschen sich die einmalige Chance entgehen lässt, diese Zeit zur besten ihres Lebens zu machen. Denn leider wurden wir weder von der Gesellschaft, von der Wirtschaft oder von der Politik angehalten oder gar darüber geschult, welche Herausforderungen mit dem Übergang vom Beruf in den Ruhestand einhergehen. Für unseren Berufseintritt mussten wir eine Legitimation vorlegen: ein Diplom, einen Meisterbrief, eine Lehrabschlussprüfung, aber mindestens jedoch einen Schulabschluss nachweisen. Beim Eintritt in die Rente verlangt niemand von uns ein Zertifikat, eine Beglaubigung oder eine Urkunde darüber, ob wir reif und qualifiziert genug für dritte Lebensphase sind. Und vor allem: Ob wir diese auch entsprechend erfolgreich und erfüllt gestalten können.
Aber noch ist nichts verloren! Ganz individuell und achtsam können wir uns einem qualifizierten, erfüllten und sinnorientierten Ruhestand nähern: Im Rahmen von interaktiven Workshops und Seminaren, durch informative Vorträge und Buchlesungen. Aber auch mit Team- oder Individualcoachings. Letztere bauen auf drei wesentlichen Säulen auf: dem Lebensrückblick, dem aktuellen Lebens(zwischen)fazit und der (neuen) Lebensplanung.
Lebensrückblick
Der erste Schritt in meinem Übergangscoaching ist eine aufrichtige, positive und achtsame Rückschau vom Gipfel meines Lebensberges, auf dem ich angekommen bin, nach unten auf den durchschrittenen Lebenspfad. Ich nenne es auch den Blick in den „Rückspiegel des Lebens“. In einer geschützten Umgebung nehme ich mir die Zeit, das Gewesene in meinem Leben zu reflektieren und als Gewinn zu verbuchen. Es geht darum, meine Vergangenheit im Lichte das damals Machbaren zu verstehen, die Geschehnisse als unkorrigierbar anzunehmen und die Resultate als wertvolle Erfahrungen meines eigenen Lebensweges zu akzeptieren. Alles, was geschehen ist, ist das Ergebnis meiner Selbstwirksamkeit. Es macht keinen wirklichen Sinn, „verlorenen“ Chancen nachzutrauern; der unausgeführte „Plan B“ ist bedeutungslos geworden.
Lebenszwischenfazit
Im zweiten Schritt mache ich einen „Boxenstopp“; hier geht es um ein Innehalten im Hier und Jetzt. Denn die wichtgsten Entscheidungen im Leben habe ich längst getroffen. Oder anders gesagt: um den Lebens-TÜV mit der Aussicht auf die nächsten Jahre „betriebssicherer Zeit“. Es geht es um die Würdigung und Wertschätzung des Erreichten, und zwar in allen Lebensbereichen, nicht nur im beruflichen Kontext. Welche persönlichen Erfolge habe ich für mich verbuchen können, welche Rückschläge habe ich eingesteckt und was habe ich daraus für die Zukunft gelernt. Und: Welche einschneidenden Ereignisse haben mich geprägt, stärker gemacht oder mich sogar nachhaltig verändert im Verhältnis zu mir selbst und meiner Umwelt? Wie nutze ich am besten diese noch nie dagewesene Chance, aus einem weitgehend fremdbestimmten Lebensabschnitt in einen selbstbestimmten zu wechseln? Bisherige entfremdende Arbeit in Freitätigkeit zu transformieren? Wie versöhne ich mich mit dem Gedanken nun nicht mehr so viel Zeit vor mir zu haben, wie bereits hinter mir liegt?
Lebensplanung
Im dritten Schritt schalte ich den „Visionsscheinwerfer“ an: Die Sicht auf meine Zukunft wird erleuchtet! Hier heißt es für mich, mit den Fähigkeiten und dem Erfahrungsschatz eines langen Lebens die ureigenen persönlichen Visionen in konkrete Ziele zu verwandeln, meinen Lebensplan noch einmal zu überdenken und anzupassen an die neuen Bedingungen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als darum, die persönliche Biografie zu vollenden! Bisher wurde ich weitgehend von den Restriktionen des Berufes und der Existenzsicherung bestimmt – jetzt sollte ich mich zum aktiven Gestalter meiner dritten Lebensphase weiterentwickeln! Lange Zeit wurde ich von verschiedenen Unternehmen nachhaltig geprägt, jetzt gilt es, mein eigenes „Unternehmen Ruhestand“ zu führen.
Mehr über meine Angebote in meinem Profil bei Xing (www.xing.de), auf meiner Internetseite oder hier im Blog bei „Meine Angebote“ oder „Neu 2019“.
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