Oftmals beglückwünsche ich die Teilnehmer meiner Seminare und Workshops zu Beginn zu drei Dingen: …
… „dass sie erstens zu den acht Prozent aller deutschen Arbeitnehmer gehören, die mit 50 Lebensjahren und mehr noch eine Weiterbildung erhalten,
dass sie zweitens dieses Seminar nicht für ihr Unternehmen, sondern ganz allein für sich persönlich besuchen und
dass sie es drittens bis ins Hier und Heute, in dieses Seminar, geschafft haben.
Das können nicht alle von sich sagen.“
Wenn Erstens und Zweitens noch allseits mit Erstaunen und Schmunzeln registriert wird, dann sehe ich bei Drittens in unterschiedliche Teilnehmergesichter: die einen nicken nachdenklich, andere wiederum schauen mich eher skeptisch und verwirrt an. Letztere sind meist diejenigen, die sich noch gar nicht vorstellen können, im Alter zwischen 55 und 65 Jahren von der Bühne des Lebens abzutreten. Aber ich bin immer wieder neugierig, wie die Reaktionen auf meine „Glückwünsche“ ausfallen. Und gehöre wohl selbst zu denen, die – wenn auf der Teilnehmerseite sitzend – eher kopfschüttelnd reagieren würden.
Doch das Leben fragt nicht immer nach Alter und Zeitpunkt, wann man es abgeben will. Und besondere Betroffenheit entsteht immer dann, wenn man selbst mittelbarer Zeuge wird, wie uns Menschen, die erst kurz vor dem „aktiven Ruhestand“ stehen, verlassen. So geschehen in einer Seminarreihe, die ich an zwei getrennten Tagen, einem Workshoptag und einem etwa sechs Wochen später folgenden Transfertag, anbot. Ein Teilnehmer hatte noch eine Woche bis zum Abschied vom Beruf und war sichtlich angetan von den Informationen und Übungen zum Ruhestandscoaching in diesem Workshop. Da er am Transfertag bereits im Ruhestand sein würde, bat er mich, bei der zuständigen Personalabteilung ein gutes Wort einzulegen, damit er – auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen – noch Teil zwei meines Seminars beiwohnen dürfe.
Ich leitete die Bitte an die HR-Abteilung weiter. Zwei Wochen vor dem Transfertag erhielt ich die offizielle Teilnehmerliste. Zwei Personen fehlten. Die zuständige Sachbearbeiterin teilte mir mit, dass ein Teilnehmer wohl dienstlich verhindert sei. Und der andere – eben derjenige Nachfrager, für den ich ein gutes Wort eingelegt hatte – war in der Zwischenzeit leider verstorben.
Seitdem haben meine einleitenden Glückwünsche eine viel intensivere persönliche Bedeutung und erinnern mich noch viel nachdrücklicher daran, wie wertvoll die Zeit ist, die wir auf dieser Erde verbringen. Und das gilt insbesondere für den kommenden Ruhestand. Deshalb appelliere ich immer wieder an die Teilnehmer: „Nutzen Sie jeden Tag Ihrer dritten Lebensphase; jeder einzelne ist ein Geschenk. Und leben Sie jeden dieser Tage bewusst, selbstbestimmt, sinnorientiert und erfüllt.“
Denn: „Das können nicht alle von sich sagen, dass sie es bis ins Hier und Heute geschafft haben.“
Ihr (Vor)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2016 | Coaching50plus | www.coachingfiftyplus.de
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