… oder wird sich mit fortschreitender Lebenszeit die Fähigkeit, etwas Neues zu entwickeln, zurückbilden?
Was ist eigentlich Kreativität? Und wofür ist sie überhaupt gut?
Gemäß einer etwas umstrittenen Definition in der Wikipedia ist „Kreativität allgemein die Fähigkeit, etwas vorher nicht da gewesenes, originelles und beständiges Neues zu erschaffen.“
Aber warum müssen oder wollen wir überhaupt kreativ, schöpferisch tätig sein?
Ich glaube, man beginnt dann kreativ zu werden, wenn man sich in einer belastenden, unbefriedigenden Situation befindet oder ein Problem lösen will, eine auf bisherigen Erfahrungen beruhende Lösung nicht zur Hand ist und zwingend eine Veränderung her muss.
Und es gibt noch eine weitere Motivation, kreativ zu werden: sich nämlich abheben zu wollen vom Alltäglichen, Gewohnten, von der Allgemeinheit. Mit dem Ziel, Bewunderung und Respekt von anderen Menschen für etwas zu erhalten, was es bis dahin in dieser Qualität so noch nicht gegeben hat.
Wenn ich beispielsweise ein neues Seminar- oder Workshop-Format vorbereite, dann möchte ich eine Veranstaltung konzipieren, die zu einem Erlebnis für die Teilnehmer wird. Das heißt, es soll sich wohltuend von vergleichbaren Seminaren abheben und über einige Alleinstellungsmerkmale verfügen, die das Interesse und die Neugier der Anwesenden wecken. Und möglichst einen hohen Weiterempfehlungseffekt erzielen. Das bedarf „einiger schöpferischer Inspiration und mancher Transpiration“, wie schon Thomas Edison feststellte. Damit ist Kreativität nicht ganz uneigennützig und wird zum Antreiber für persönliche Anerkennung und Wertschätzung. Und gleichzeitig zum bedeutenden Faktor für eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Wie kann das gelingen? Vor allem, wenn man den fünfziger Lebensjahren bereits seit einigen Jahren entwachsen ist?
Nach dem Aphoristiker Gerhard Uhlenbruck ist „Kreativität, wenn einem bei dem, was einem auffällt, etwas einfällt.“ Für mich steckt hinter diesem Satz eine wichtige Erkenntnis: indem wir mit großer Achtsamkeit unsere Umwelt achten, beachten und beobachten, entdecken wir Unentdecktes und bisher nicht Aufgefallenes. Und machen es uns zunutze für den schöpferischen Akt der Adaption auf andere Lebens- und Erlebensprozesse. Darin besteht eine wichtige Quelle für Kreativität.
Ich habe es mir bei meinen morgendlichen Spaziergängen entlang des Scharmützelsees zur Angewohnheit gemacht, mir von Zeit zu Zeit gedanklich einen kleinen „Arbeitsauftrag“ zu erteilen (zum Beispiel für die Suche nach einem attraktiven Titel für meine zukünftigen „Resilienztrainings für Senioren“). Damit „infiziere“ ich gedanklich mein Gehirn mit einem Problemvirus. Im Wissen darum, dass Nichtbefassung mit dem und Loslassen vom Problem die beste Methode ist, um eine Lösung zu finden, überlasse ich meinem Unbewussten die Lösungssuche. Zwar kann ich die „Inkubationszeit“ bis zum Ausbruch einer originellen, neuen Idee, nicht voraussagen, doch bin ich schon vielmals zum Abschluss meines Rundganges mit einem durchaus brauchbaren „Heureka-Ich-habs-Effekt“ zu Hause angekommen.
Es gibt auch Arbeitsaufträge, deren „Erledigung“ einen weitaus längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, als ein morgendlicher Spaziergang: plötzlich und unerwartet bekomme ich eine Antwort auf eine Frage, von der ich (fast) gar nicht mehr wusste, dass ich sie mir irgendwann gestellt hatte! Das sind dann Glücksmomente von hohem Wert, die mir immer wieder beeindruckend die Zuverlässigkeit des Unbewussten demonstrieren.
Die Forschung hat sich in den vergangenen Jahren recht intensiv der Kreativitätsforschung angenommen. Dabei steht die Generation der Senioren besonders im Fokus der Wissenschaft. Erste Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, dass mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, kreative Leistungen zu erbringen, nachlässt. Ungeachtet dessen gibt es jedoch Menschen im fortgeschrittenen Alter, die herausragende Entdeckungen und Erfindungen gemacht haben und machen. Was Kreativität im Alter fördert und über welche Voraussetzungen man verfügen muss, um lebenslang schöpferisch tätig zu sein, möchte ich in Teil 2 dieses Beitrags besprechen.
Bis dahin …
Ihr (Vor)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2017 | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de
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