Vor einigen Tagen wurde mir ein Link gesendet, der mich sehr nachdenklich gemacht hat. Für die Zukunft der älteren Generation …
Seit Jahren biete ich Seminare, Workshops und Coachings für Menschen vor und im Übergang vom Beruf in den Ruhestand an. Weil es sich um eine Lebensphase handelt, die einschneidende Veränderungen für unser Persönlichkeitsgefüge nach sich ziehen kann. Und in diesem Zusammenhang eröffne ich die Events oftmals mit einer Sammlung von Begriffen, die uns im fortgeschrittenen Alter und an der Schwelle zum Ruhestand begegnen (siehe Grafik). Mit denen wir benannt oder bezeichnet werden. Die manchmal einen Anflug von Ironie in sich bergen, ein anderes Mal einen provokativen Unterton mitschwingen lassen. Die ich gesammelt habe im Verlaufe der Seminare, insbesondere aus den Anmerkungen und Hinweisen meiner Teilnehmer.
Zurück zum Link, den ich von einem verehrten Kollegen erhielt. Er verwies auf den Demografiegipfel 2017 in Berlin. In einem knackigen Beitrag referierte der Zukunftsforscher Matthias Horx schwerpunktmäßig zum Thema „Haltung zum und Umgang mit dem Alter“. So wie ich scheint auch er auf der Suche nach einer neuen, gesellschaftsförderlichen und akzeptablen Rahmengebung für Menschen jenseits der 60 zu sein. Hier dürfte kräftiger Nachholebedarf bestehen. Das vor allem in Hinsicht auf die Assoziationen, die die bisherigen landläufigen Begriffe über das Alter auslösen. Wenn wir Wörter kreieren, dann benötigen wir dahinterliegende Bedeutungen, selbstgemachte Erfahrungen oder tiefempfundene Wahrnehmungen. Ohne Bilder und Vorstellungen wären wir nicht in der Lage, uns z. B. das Universum zu verinnerlichen, den Begriff Korrelation zu verstehen oder einem Stuhl seine Nutzungsmöglichkeiten zuzuschreiben. Nun haben wir in der Zukunft noch keine Erfahrungen machen können und müssen – da sie nicht erinnerbar ist – eine neue Begriffswelt konstruieren, kreieren. Sie bauen auf Erlebtem und Gewohntem auf und hängenan klischeehaften Überzeugungen fest und sind oftmals negativ behaftet. Und hier beginnt das Problem. Das Alter ist mit einer Reihe von Mythen besetzt, die sich bei näherer Betrachtung nicht halten lassen. Wie z. B. die These „Je älter, desto kränker“. Oder die Behauptung, das Wohlbefinden ließe im Alter immer weiter nach. Oder die ältere Generation wäre digitalfeindlich programmiert. Und daraus resultieren oftmals Bezeichnungen, die dem Altern nicht gerecht werden. Und erst recht nicht zukunftsweisend sind.
Ruhestand ist ja fast schon ein Unwort. In meinem Buch, das ich gerade schreibe, versuche ich den klassischen Ruhestand in die Reihe der industriellen Revolutionen der letzten beiden Jahrhunderte einzuordnen. Versuche ich zu analysieren, wie er historisch entstanden ist und welche zukünftige Reichweite er noch haben könnte. Dabei komme ich zu dem Schluss, dass er ein Übergangsphänomen ist, das auf Grund der demografischen und sozialen Entwicklungen sein Verfallsdatum schon bald erreicht haben wird.
Matthias Horx beschreitet einen etwas anderen Weg: Er sucht nach einer grundsätzlichen Neupositionierung für die Generation der Babyboomer und ihrer Nachfolger. Begräbt den „Ruhestand“ und feiert das neue Alter mit Begriffen, wie „Free-Ager“ oder „Pro Ager“. Damit geht er begrifflich auch gegen das Vorurteil einer durch die jüngeren Generationen vertretenen Auffassung einer Frühvergreisung der zukünftigen Gesellschaft vor. Und fördert damit das Verständnis für einen neuen Begriffsrahmen, der sich seiner Ansicht nach als gesellschaftlicher „Downaging-Effekt“ manifestiert, einen Verjüngungsfaktor, dem wir de facto durch unsere stetig wachsende Lebenserwartung unterworfen sind.
Wer es noch genauer wissen will: hier ist der Link zum reinschauen – viel Spaß!
Zum Abschluss noch ein paar Fragen:
- Welche Begriffe würden Sie den Menschen jenseits der 60, 65 Lebensjahre zuordnen?
- Welche Bezeichnung fürs Alter hätte in Ihrem Verständnis einen zukunftsweisenden, optimistischen Klang?
- Wie würden Sie persönlich gern bezeichnet werden, wenn Sie den Schritt vom Beruf in den „Ruhestand“, pardon in das Leben als „Free-Ager“, vollzogen haben?
Ihr (Vor)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2017 | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de
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