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Der Elevator Pitch als forcierte Seminareröffnung
Für das Opening meiner Seminare bemühe ich sehr oft die Metapher vom „Elevator Pitch“. Für US-Amerikaner ist es eine Routine, in der Fahrzeit eines Wolkenkratzer-Lifts von etwa einer Minute einem Unbekannten prägnant zu erklären, wer man ist, was man tut und was man im Leben noch erreichen will. Ich nutze den E. P. immer dann, wenn sehr viele Seminaristen an meinen Workshops teilnehmen, um einen zeitlich effektiven Einstieg zu haben. Denn wenn man Menschen auffordert, über ihr Leben zu sprechen, dann werden sie oftmals sehr, sehr ausführlich … So bleibt jedem Teilnehmenden eine Minute, und wenn die abgelaufen ist, aber der Redner noch nicht zu Ende gekommen, dann klatschen alle anderen auf mein Zeichen hin wertschätzend Beifall …

Grafik: Wolfgang Schiele

Der Elevator Pitch als Karrierefahrstuhl
Trennt man sich von der Metapher des Elevator Pitches und kehrt gedanklich zurück ins reale Leben, dann ist der Lift, Aufzug oder Fahrstuhl – zumindest bis vor Kurzem – der Inbegriff einer Transportkiste, die Menschen von unten nach oben oder umgekehrt transportiert hat. Die einen schauten in der körperlichen Beengtheit der Schachtel verschämt oder verlegen auf ihre Schuhe, den Knopf ihrer Zieletage oder gezielt an die Decke, um nicht den direkten Blicken unbekannter Mitfahrender ausgesetzt zu sein. Andere nutzten die Enge der Kabine als Chance für einen intensiveren körperlichen Kontakt, der in einem anderen Kontext als sexuelle Belästigung ausgelegt worden wäre. Dritte wiederum, wenn als Duo unterwegs, versuchten die Fahrzeit mit einem Small Talk zu überbrücken. Und nicht selten, so die Legende, soll eine Kurzaustausch unter diesen Zwangsbedingungen dazu geführt haben, dass sich karrierefördernde Verbindungen anbahnten. Für Liftfahrer, die schlagfertig und kaltblütig genug waren und den Moment auszunutzten, ergab sich die einzigartige Gelegenheit, ihre beruflichen Visionen und Ideen gegenüber Vorgesetzten ohne Flucht- oder Ausweichmöglichkeiten desselben darzulegen.

Neue Realitäten – altes Verhalten?
Was ist davon geblieben? Unter den heutigen Bedingungen ist es nicht nur eine soziale, sondern eine ernsthafte gesundheitliche Herausforderung, mit dem Elevator unterwegs zu sein. Regelmäßig kann man nur wenige der einschlägig vorgeschriebenen Regeln der Kontaktsperrära einhalten. Also suchen Sie nach Alternativen! Neben der vermiedenen Enge und Eingeschlossenheit bleibt einem der peinliche Blickkontakt und der Nähestress zwischen den Mitreisenden im vertikalen Transportschrein erspart. Und die Beinmuskeln werden trainiert. Obwohl: Das berühmte Bild der liftfahrenden, dicht gedrängten Ministerriege ohne ausreichenden Mindestabstand ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass auch in Zeiten von Corona immer wieder kaltblütig versucht wird, mit einer Mannschaftskabine eine kollektive Ortsveränderung vorzunehmen …

Quelle: Bodo Weissenborn / dpa

Was ist die Moral von der Geschicht?
Zurück zur Metapher: Wenn es denn wieder Präsenzveranstaltungen in der Erwachsenen-Weiterbildung geben wird, dann werde ich vorsichtshalber die Treppe nehmen. Einmal, um einer Infektion aus dem Weg zu gehen, zum anderen, um etwas für meine Gesundheit zu tun. Und auf Gespräche mit Vorgesetzten zur eigenen Karriereförderung bin ich nicht mehr angewiesen. Doch als Teilnehmervorstellung werde ich auch zukünftig gern wieder den „Elevator Pitch“ in meine Seminare einbauen.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele
(Vor-)Ruhestandscoach und Resilienztrainer für Senioren

© Wolfgang Schiele 2020 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de