
Sich selbst überhebende Kreatur, Eigenbeförderer zur Krone der Schöpfung, grenzenloser Ausbeuter der Natur, leugnender Vernichter seiner eigenen Lebensbasis – das ist der Mensch. Und er erhebt sich über alles und meint, der Mittelpunkt des Universums zu sein, aller lebenden und auch aller toten Welt seine Macht und seinen Willen aufzwingen zu können. Und verhält sich wie ein Narzisst, der die Huldigung seiner Unfehlbarkeit zu jedem Zeitpunkt seines Handelns von allen Seiten fraglos erwartet. Dabei wird er geologisch gesehen auf der Erdkruste nur eine lächerliche Sedimentschicht von wenigen Zentimetern hinterlassen, wie Forscher errechneten …
Friedrich Nietzsche schrieb in seinem Werk „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“:
„In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der „Weltgeschichte“: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Tiere mussten sterben. – So könnte jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustriert haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt. Es gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es gibt für jeden Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten. Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwirrt und in sich das fliegende Zentrum dieser Welt fühlt. Es ist nichts so verwerflich und gering in der Natur, was nicht, durch einen kleinen Anhauch jener Kraft des Erkennens, sofort wie ein Schlauch aufgeschwellt würde; und wie jeder Laststräger seinen Bewunderer haben will, so meint gar der stolzeste Mensch, der Philosoph, von allen Seiten die Augen des Weltalls teleskopisch auf sein Handeln und Denken gerichtet zu sehen.“
Wie treffend und unmissverständlich Nietzsche schon 1873 den Hochmut, die Überhebung und die Anmaßung des Menschen beschrieb! Nicht einmal ein Anflug von Bescheidenheit schwingt auch im heutigen Menschen mit, keinen Abstrich macht er von der Selbstüberzeugung an seiner eigenen Vollkommenheit. Doch wäre nicht ein wenig Demut gegenüber der Schöpfung angebracht? Das Sinnverständnis, selbst als Teil des Großen und Ganzen zu wirken und sich ihm gleichzeitig respektvoll beizuordnen?
Krisen sind in erster Linie Funktionsstörungen in Gesellschaften. Sie sollten uns zur kritischen Reflexion anhalten und ein Erneuerungsdenken auslösen. Einen Wendepunkt zur menschlichen Weiterexistenz kann es jedoch nur geben, wenn die Ausrichtung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Modelle signifikant verändert wird. Davon sind wir leider weit entfernt.
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße
Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2020 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de
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