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Der Begriff der Resilienz ist in aller Munde. Und wenn wir über die RESILIENZ an sich reden, dann beziehen wir uns oftmals nur auf den Grad der persönlichen psychischen Widerstandsfähigkeit, die wir dem Alltagsstress, den persönlichen Problemen oder den vielfältigsten Umweltkrisen entgegensetzen. Aber Resilienz endet nicht in unseren Köpfen, sie ist gleichzeitig auch eine Schlüsselkompetenz in Unternehmungen und Organisationen, um die Herausforderungen der ökonomischen und sozialen Veränderungen abzufedern und sich zu adaptieren. Und sie erlangt eine immer größere Bedeutung im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Eine neue, weltumspannende, gesellschaftsübergreifende Resilienz muss sich entwickeln. Eine, die in der Lage ist, die Zukunft der einzelnen Völker und der Menschheit zu sichern …

Nicht erst mit dem Auftreten der aktuellen Coronapandemie, sondern bereits mit den Veröffentlichungen des Club of Rome zu den Folgen der weltweiten Industrialisierung in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ wurden wir nachdrücklich dazu ermahnt, uns um eine nachhaltige Zukunft zu kümmern und der bedingungslosen Ausbeutung der Natur sofort Einhalt zu gebieten. Das komplette Gegenteil trat ein und setzt sich in schwindelerregender Geschwindigkeit fort.

Ich als ein Vertreter der Babyboomergeneration habe diese Welt bis vor kurzem als eine segensreiche Oase aus Wohlstand, Frieden und Selbstverwirklichung erleben dürfen. Meine Eltern betrachtete ich bereits zu ihren Lebzeiten als Menschen, bei denen das späte Glück des Alters sich mit dem materiellen und ideellen Reichtum einer blühenden Industrienation verbunden hatte. Und dennoch gab es noch Steigerungspotenzial: Wachstum und Gewinn fanden kein Ende. Dabei übersahen wir die Zeichen der Zeit, ja wir wollten sie nicht wahrhaben, weil wir sie in solch weiter Ferne wähnten, dass sie es nicht vermochte, uns bedrohlich genug einzuschüchtern.

Grafik: Wolfgang Schiele

Nun hat es zooooom gemacht! Wir erleben die sieben Todsünden der klassischen Theologie (Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit) als die sieben Krisen der Jetztzeit: die Coronapandemie, den Hunger, die Klimakatastrophe, den Krieg, die Flüchtlingsströme aus Süd und nun auch aus Ost sowie das Artensterben. Und wir haben allen sieben zurzeit nichts entgegenzusetzen. Und schon gar nicht als konzertierte Aktion, als Weltgemeinschaft.

Was wir im Sinne einer resilienten Welt benötigen ist die Einsicht, dass die Welt kein sicherer Ort mehr ist und die Gesellschaften sich dem Weltenkontext anpassen müssen. Wir benötigen die Fähigkeit, zu schwingen; zu pendeln zwischen Phasen des Überflusses und des Verzichtes, zwischen Freiheit und Zumutung, zwischen der bitteren Einsicht in existenzielle Notwendigkeiten und grenzenlose Selbstbestimmung. Resilienz in gesellschaftlichen Dimensionen zu entwickeln bedeutet für die Nationen (und schlussendlich auch für die Großgemeinschaft Menschheit) elastisch und flexibel in politischen Entscheidungen zu sein, lernbereit und offen zu werden beim Anpacken globaler Probleme sowie resonanzfähig und tolerant bei der Bewältigung zwischenmenschlicher Krisen aufzutreten. Die Gemeinde, die Großgruppe, die Gesamtgemeinschaft muss Kriterien schaffen und sich Verhaltensweisen zulegen, um nach einem unvermeidbaren, aber auch nach einem unerwarteten Schock zur Erholung zu gelangen und zu weiterem Wachstum fähig zu sein. Probleme, Stress und Krisen in der Welt dürfen nicht zu einer permanenten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen, sondern schlussendlich zu posttraumatischem Wachstum (PTB), um hier die einschlägigen Begriffe der Psychologie zu nutzen.

Wir benötigen Spielräume, Puffer und Speicher, um für Knappheiten vorzusorgen und danach die Krisen aufzulösen. Es bedarf der Abkehr von einer Kurzzeit-Effizienz, von den Dogmen der Billiglösungen und vom kapitalistischen Ansatz des Meistgewinnes. Wir benötigen Ausweichstrategien, Nischenplätze und Lösungsstrategien außerhalb klassischer Denkmodelle. Voraussetzung dafür ist der soziale Zusammenhalt und die Schwingungsfähigkeit einer Gesellschaft zwischen Enthaltsamkeit und Verzicht sowie Wohlstand und Reichtum. Wir müssen dem Besitz an sich eine neue Bedeutung geben und dürfen uns nicht als Eigentümer der Naturressourcen betrachten, sondern müssen uns als deren verantwortungsvolle und umsichtige Verwalter verstehen. In seinem Buch „Die resiliente Gesellschaft“ schreibt Markus Brunnermeier, dass eine Gesellschaft dann resilient sei, wenn die übergroße Anzahl der Menschen die Möglichkeit und die Fähigkeit hat, in ihren Ansprüchen und Bedürfnissen zurückfedern zu können. Auch, wenn es unendlich schmerzhaft werden sollte. Zurück aus falschen Abhängigkeiten hin zu eigenem, vernünftigem und klugem Handeln im Sinne der Gemeinschaft.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
Wolfgang Schiele

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