Immer im März findet der Trainerkongress Berlin unter der Ägide von Gert Schilling statt. Dieses Jahr bereits zum 10. Mal. Ich war nunmehr zum dritten Mal dabei und konnte wieder interessante Anregungen und Inspirationen für meine eigenen Trainings und Coachings mitnehmen …
… Was den Kongress im Café Moskau in Berlin so interessant macht, ist, dass man aus insgesamt etwa 50 Workshops vier pro Tag auswählen und besuchen kann.
Dieses Jahr gönnte ich mir unter anderen ein Event unter dem Titel „Hurra, ein Widerstand! – Vom humorvollen Umgang mit Störungen“. Mit vielen praktischen Beispielen versuchten die Trainerinnen Katrin Hansmeier und Eva Ullmann Lösungsvorschläge für kritische und spannungsgeladene Seminarsituationen zu unterbreiten.
Wer hat das nicht schon einmal erlebt: Man kommt als Trainer oder Coach in einen Workshop und trifft teils auf missmutige, gelangweilte oder desinteressierte Teilnehmer. Fragt man nach den Erwartungen der Anwesenden, dann schwingt oftmals ein Widerstand gegen die Fortbildungsmaßnahme mit. Oder es kommt oder Störungen, von denen man nicht immer weiß, ob sie bewusst provoziert werden oder ungewollt entstehen.
Dass diese Haltung einzelner Teilnehmer in der Regel nicht an ihrer Tagesform oder an der Person des Trainers liegen muss, hat u. a. Steve de Shazer, der Entwickler der sog. Lösungsorientierten Kurztherapie, meisterhaft beschrieben. Er betrachtet die teilnehmenden Menschen aus der Sicht ihres „Sendungskontextes“. Dabei unterteilt er sie in Klagende, Besucher und Klienten.
Die Klagenden sind missmutig und verstimmt; sie meinen, andere gehörten in diese Weiterbildung, und nicht sie selbst. Alles, was sich ändern müsse, seien nicht sie als delegierte Teilnehmer, sondern das schlechte Umfeld, die inakzeptablen Arbeitsbedingungen, falsch führende Vorgesetzter oder unfähige Teammitglieder. Sie wähnen sich in der Opferrolle und zeigen mit den Fingern von sich weg: „Die Anderen sind schuld, ändere sie und sorge für bessere Umstände im Unternehmen“, heißt der offen ausgesprochene oder nonverbal kommunizierte Appell an den Trainer oder Coach. Hier hilft u. U. eine humorvolle Würdigung des Leids des Teilnehmers oder die gemeinsame Suche nach eigenen Gestaltungsspielräumen für eine Situationsänderung. Besonders deshalb, weil der Trainer ja bekanntlich noch nicht über die Fähigkeit zur Fernheilung Dritter verfügt.
Die zweite Gruppe stellt die sog. Besucher dar. Sie sind sich oft nicht bewusst, warum sie in dieser Fortbildung gelandet sind. Ihrer Meinung nach wurden sie verdonnert, hier zu erscheinen, weil der Chef oder die Personalabteilung es so gewollt haben. Mit dem Teilnehmer wurde in der Regel vorher nicht gesprochen und auch keine Zielvereinbarung über den Sinn des Weiterbildungskurses getroffen. Sie haben kein eigenes Anliegen, handeln auf Befehl und weisen ihre Anwesenheit ausschließlich Dritten zu. Ihr innerer Kommentator wiederholt gebetsmühlenartig den Satz: „Was soll das – ich habe doch gar kein Problem!“ Sind diese Teilnehmer erst einmal bekannt, helfen am ehesten Komplimente ohne Ende: „Schön, dass sie hier sind, auch für Sie wird etwas dabeisein, was ihnen gefällt und genießen Sie die Zeit.“ Manchmal passt es, ihnen klarzumachen, dass sie sich als „Teil-Nehmer“ ihren ganz besonderen inhaltlichen „Teil (heraus) „nehmen“ sollten. Bei diesen Besuchern ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie zu aktiven Teilnehmern, zu echten Klienten werden.
Und das ist die dritte Gruppe von Teilnehmern an Coachings und Workshops: Menschen, die selbstverantwortlich und gestaltend in ein Seminar kommen und bereit sind, eigene Ideen und Kommentierungen in den Seminarablauf einzubringen. Sie sind interessiert und veränderungswillig.
Und dann gibt es da noch eine (Unter)Gruppe, die Dr. Gunther Schmidt (Hypnosystemische Konzepte) in das Kontextmodell eingebracht hat: den sog. Co-Berater. Er stellt einen Sonderfall dar und „kennt“ bereits alle Methoden, Interventionen und Auswirkungen der Weiterbildungsmaßnahme. Sein Credo lautet: „Ich bin der Experte, ich weiß schon, wie das alles geht und was kommen wird! Am besten, ich übernehme jetzt hier.“ Für einen erfolgreichen Verlauf des Seminars empfiehlt es sich oftmals, dem Co-Berater zum Verbündeten zu machen, ihm bestimmte wichtige Aufgaben zu übertragen und ihm „Hüte“ aufzusetzen, ihn z. B. zum Hüter der Zitate oder Quellennachweise zu erklären. Widerstand ist meist zwecklos – also sollten wir ihn integrieren und durchaus als Lernchance sehen, wenn wir merken, dass sein Expertenstatus nicht nur aus heißer Luft besteht – ohne uns jedoch dabei das Heft des Handelns aus der Hand nehmen zu lassen.
Ich selbst bin dankbar dafür, dass sich unter meinen Teilnehmern vorwiegend Besucher und Klienten befinden. Die Themen der Ruhestandsvorbereitung werden meist wertschätzend angenommen – auch deshalb, weil die Inhalte den Menschen ganz persönliche Hinweise auf den späteren Lebensweg im Alter mitgeben und keine Universalrezepte darstellen, sondern freie Angebote für eine selbstbestimmte Gestaltung der dritten Lebenszeit enthalten. Nichtsdestotrotz hat mir der Trainerkongress wichtige Impulse für die weitere Verbesserung meiner Seminare mitgegeben.
Ihr (Vor)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele
© Wolfgang Schiele 2018 | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de
1. Juni 2018 at 17:22
Ob die gezeigten Drinks wohl geschmeckt haben …?
LikeLike