Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist img_0421.jpg.
Foto: Wolfgang Schiele

Gerade im fortgeschrittenen Alter, in Umbruchzeiten vom Beruf in den Ruhestand, wenn die Gelassenheit weiter zunimmt, weil man Zeit zum Nachdenken, Reflektieren und Fabulieren hat, eröffnen sich die Lebensräume, um das Dasein zu genießen. Und dabei besteht Genuss bei weitem nicht nur aus den materiellen Sinnesfreuden, sondern aus einer Mischung von verschiedenen äußeren und inneren Empfindungen unserer Wertewelt.

Die Wissenschaftler, die sich seit einigen Jahren mit der sog. Positiven Psychologie befassen, haben herausgefunden, dass der Genuss zu den existenziellen Werten gehört, die unser Leben in vielfältiger Hinsicht lebenswert machen. Das Schöne am Genuss ist, dass er über eine Reihe Facetten von verfügt, die man auch als die „Grundarten des Genießens“ bezeichnet.


Die erste ist die Dankbarkeit. Sie ist in die Vergangenheit gerichtet und gilt einem glücklichen Ereignis, einer geliebten Person, einer überraschenden Erkenntnis. Als reife Erwachsene verfügen wir Ruheständler über einen großen Fundus an Episoden, für die wir dankbar sein können. Da sind die Erfolge aus unser Berufsbiografie, die Glücksfälle aus dem Alltag, die emotional bewegenden Erlebnisse mit dem vertrauten Partner.
Aber wir brauchen gedanklich gar nicht so weit zurück gehen in unseren Dankbarkeitserinnerungen. Wir können uns am Ende eines jeden Tages fragen: „Wofür bin ich heute dankbar, was hat mein Leben in den vergangenen Stunden noch etwas reicher und erfüllter gemacht?“ Und es sollte uns nicht schwerfallen, mindestens drei Dinge oder Menschen zu finden, für die oder denen wir dankbar sein sollten. Kleiner Tipp von mir: Dank kann man gut fortschreiben. Deshalb legen Sie sich ein schönes Büchlein zu, vielleicht von „paperblanks“, und notieren Sie diese kleinen, aber wichtigen Momente der Dankbarkeit. Schon nach einem Monat kommen fast 100 Notizen zusammen, die Sie immer dann durchlesen sollten, wenn Sie mal nicht so gut drauf sind.


Der Stolz ist ein Wert, eine ideelle Qualität, die nach innen wirkt und vom Verstand verarbeitet wird. Der Stolz entspringt aus „der Gewissheit, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges“ (Zitat Wikipedia) geleistet zu haben. Aus der komfortablen Situation heraus, dass bereits alle wichtigen Entscheidungen unseres Lebens getroffen sind, dürfen wir mit Fug und Recht stolz darauf sein, z. B. ein Häuschen erbaut, die Kinder zu ordentlichen Persönlichkeiten erzogen, einen entscheidenden Beitrag für den Erhalt der Umwelt geleistet oder im Verein eine wichtige Position ausgefüllt zu haben. Das Gefühl des Stolzes erzeugt ein tiefe Zufriedenheit und Gelassenheit in uns. Es stärkt unsere Selbstachtung und baut sie dann wieder auf, wenn wir im Alter meinen, andere brächten uns nur ungenügende Anerkennung und fehlenden Respekt entgegen. Das Beste am Stolz ist: Er nutzt sich nicht ab; man kann ihn immer wieder zur Stärkung des Selbstwertes heranziehen!


Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist grundarten-des-geniec39fens.jpg.
Grafik: Wolfgang Schiele, nach Bryant & Veroff 1999, 2011

Das Staunen und Bewundern hat seine Wurzeln in unserer Kindheit. Ohne Wertung und ohne Hintergedanken haben wir als Kinder die Vorgänge in der Natur, die Dinge um uns herum und das Verhalten von Menschen beobachtend und weitgehend vorurteilsfrei genossen. Davon ist uns leider im Verlaufe unseres Lebens einiges abtrainiert worden. Weil wir alle Pläne, Entscheidungen, Handlungen etc. im beruflichen Kontext, aber auch in vielen anderen Lebensbereichen, immer wieder rational begründen oder gar rechtfertigen mussten. Dabei ging der emotionale Aspekt des Genusses verloren. Genießen Sie achtsam und wertfrei, ohne nach Ursache und Wirkung zu fragen, die zahllosen Wunder der Natur. Oder bleiben Sie einfach einmal vor einem Bauwerk stehen und erfreuen Sie sich an der Ästhetik, der Ausstrahlung und der Anmut desselben, ohne es nach statischen Gesichtspunkten zu zu beurteilen oder die Anzahl der verbauten Ziegelsteine zu hinterfragen …


Last but not least bleibt der sinnliche Genuss. Er ist eine ganz individuelle Erfahrung, die eine oder mehrere innere Wahrnehmungen auslöst und unser Glückshormon Dopamin freisetzt. Deshalb möchten wir gern immer mehr davon haben! Wie sagte schon David Hume, der schottische Ökonom (!) und Philosoph des 18. Jahrhunderts: „Die Schönheit der Dinge entsteht in der Seele dessen, der sie betrachtet.“ Gerade während unserer Späten Freiheit können wir uns mehr Zeit nehmen, diese Grundform des Genießens länger und intensiver auszukosten. Im Englischen gibt es dafür ein schönes Wort: Savoring – die Kunst des Auskostens.


Die Grundarten des Genießens erstrecken sich inhaltlich über die gesamte gelebte, die gegenwärtige und die zukünftige Biografie:

Was uns sinnlichen Genuss in der Vergangenheit bereitet hat, das können wir jederzeit bewusst zurückerinnern. In diesem Sinne wird die positive Erfahrung des früheren Momentes oder Ereignisses verlängert.

Wenn wir uns in der Gegenwart dem aktuellen Genuss ungeteilt, fokussiert und achtsam hingeben, dann vertiefen wir das sinnliche Erleben.

Den Genuss in der Zukunft beschert uns die Zeit, die uns in eine positive Erwartungshaltung, eine Vorfreude, eine sehnsüchtige Spannung versetzt bis zu dem Augenblick, in dem das körperliche oder geistige Wohlbehagen beginnt.


Arbeitsblatt: Wolfgang Schiele

Testen Sie Ihre ganz persönliche „Genussfähigkeit“ an Hand des o. g. „Genussdiagrammes“. Füllen Sie die Zeilen mit Ihren Ideen zum „Werteglück“, das sich aus dem Dank und dem Stolz zusammensetzt, und dann die Zeilen des „Wohlfühlglückes“, das die Wunder der Welt und unser sinnliches Auskosten ausmachen. Und schauen Sie zum Schluss, ob sich eine harmonische Verteilung ergibt oder ob Sie noch Defizite ausgleichen sollten.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße

Wolfgang Schiele
(Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren

© Überarbeitet Wolfgang Schiele 2023 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de