
Das VIA-Institut on character (VIA = „Values in action“ oder: Werte in Aktion) entwickelte im Jahr 2000 Konzepte und Methoden, um einen „guten Charakter“ zu definieren und dessen Eigenschaften näher zu beschreiben. Daraus entstand in letzter Konsequenz das sog. „Modell der Charakterstärken“, ein wichtiger Strukturbaustein der Positiven Psychologie.
Jeder Mensch verfügt über eine Reihe von Stärken, die seinen guten Charakter ausmachen. Der Begriff des Charakters gehörte ursprünglich eher in die Welt der Philosophie als in die der Psychologie. Doch als sich die Positive Psychologie des Charakterbegriffs annahm, musste eine neue Definition her. Die VIA-Forschungsgruppe bediente sich dabei positiv definierter Stärken, über die jeder Mensch in verschiedener Ausprägung verfügt. Sie beschreiben erwünschte, erstrebenswerte und universelle Eigenschaften oder Tugenden, zu denen alle Menschen kulturübergreifend JA sagen können. Sie sind moralisch wertvoll und beinhalten vielfältige Kompetenzen positiver menschlicher Entwicklung.
Insgesamt hat man 24 Charakterstärken ermittelt und diese auf der Grundlage philosophischer Traditionen und Weltreligionen zu sechs Kerntugenden zusammengefasst: Weisheit/Wissen, Menschlichkeit, Mäßigung, Mut, Gerechtigkeit und Transzendenz:

In gewisser Hinsicht stellen sie das positive Spiegelbild zu den Diagnostikkriterien der ICD 10 (11) dar, die die Krankheitssymptome seelischer Störungen beschreibt. Die Charakterstärken bilden im Gegensatz zur „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ (ICD) nicht die defizitären seelischen Aspekte des Lebens ab, sondern zeigen die Fülle und den Reichtum menschlicher Existenz auf. Insofern sind sie ein kompletter Gegenentwurf zu den Krankheitsdiagnosen seelischer Störungen.
Hier die Kurzbeschreibung der 24 Charakterstärken:
1. Hoffnung: Menschen mit dieser Charakterstärke sind positiv auf die Zukunft eingestellt und überzeugt davon, dass sie diese selbstwirksam mitgestalten können.
3. Ausdauer: Diese Menschen lassen sich durch Schwierigkeiten nicht von ihrem Weg abbringen. Sie überwinden Widerstände und erleben eine hohe Lebenszufriedenheit.
4. Sinn für das Schöne: Menschen, die Dinge besonders achtsam und bewusst wahrnehmen. Sie interessieren sich aktiv und nachhaltig für die Schönheit in den unterschiedlichsten Lebensbereichen.
5. Liebe zum Lernen: Wissbegierige und Lernwillige – Menschen, die sich gern neue Fertgkeiten und Fähigkeiten aneignen und ihr bisheriges Wissen ergänzen wollen.
6. Neugier: Diese Menschen stellen immer wieder Fragen, sie erforschen und entdecken die Welt in all ihren Facetten. Für sie gibt es keine fremden Wissenszweige oder Tabuthemen.
7. Weisheit: Insbesondere ältere Menschen mit einem ungeheuer großen Wissenshorizont, Überblick und reifer Sichtweise. Sie sind gefragte Leute, wenn es um Ratschläge und Hinweise geht.
8. Enthusiasmus: Begeisterungsfähige Menschen, die keine halben Sachen machen und Ihre Ziele selten verfehlen. Für sie ist das Leben ein einziges Abenteuer.
9. Urteilsvermögen: Das sind Menschen, die Sachverhalte tief durchdringen und hinterfragen. Sie versuchen unterschiedliche Standpunkte einzunehmen und ziehen keine vorschnellen Schlüsse.
10. Soziale Intelligenz: Kompetente Menschen, die sich ihrer Gefühle und Motive sicher sind und wissen, welches Verhalten in einer gegebenen Situation das beste ist.
11. Dankbarkeit: Menschen, die sich der guten Dinge bewusst sind, die um sie umgeben. Gegenüber anderen nehmen sie sich die Zeit, ihre Dankbarkeit auch auszudrücken.
12. Authentizität: Das sind die Menschen, die das, was sie sagen auch in ihrem Tun und Handeln umsetzen. Sie stehen mit beiden Beinen auf dem Boden, bleiben ihren Prinzipien treu und täuschen andere nicht.
13. Vergebungsbereitschaft: Das sind die Menschen, die anderen eine zweite Chance geben und ihnen auch Fehler verzeihen können. Nicht Rache oder Vergeltung bestimmen ihr Handeln, sondern Gnade und Güte.
14. Vorsicht: Diese Menschen denken erst und handeln dann. Sie denken über die möglichen Konsequenzen ihres Handelns, aber auch ihres Nichttuns nach und machen keine Dinge, die sie später bereuen könnten.
15. Bindungsfähigkeit: Das sind Menschen, die Beziehungen sehr hoch schätzen und über die Fähigkeit verfügen, andere zu lieben. Ihre Beziehungen sind von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt.
16. Selbstregulation: Diese Menschen sind in der Regel sehr diszipliniert und fähig, ihr Verhalten und ihre Reaktionen selbst zu bestimmen. Sie verfügen über einen hohen Grad an Frustrationstoleranz.
17. Führungsvermögen: Menschen, die Einzelpersonen und Teams zielorientiert führen können, diese unterstützen und motivieren. Sie können Aktivitäten gut planen, organisieren und erfolgreich abschließen.
18. Tapferkeit: Das sind Menschen, die gern Herausforderungen annehmen, Schwierigkeiten mutig angehen und vor Bedrohungen nicht zurückweichen. Sie stehen zu ihrer Meinung und sind selten angepasst.
19. Freundlichkeit: Diese Menschen sind großzügig und umgänglich. Sie genießen es, zu anderen Menschen nett und zuvorkommend zu sein und haben keine Hintergedanken.
20. Fairness: Menschen, die anderen Chancengleichheit gewähren. Gleichbehandlung ist für sie ein zentrales Prinzip und sie lassen sich nicht durch persönliche Vorurteile leiten.
21. Teamwork: Das sind Menschen, die sich in einer Gruppe mit denselben Zielen am wohlsten fühlen. Sie verhalten sich loyal und bringen ihre Fähigkeiten und ihr Wissen vorbehaltlos ins Team ein.
22. Spiritualität: Diese Menschen haben starke Vorstellungen über den Sinn und Zweck des Universums und ihre eigene Bestimmung darin. Religiöse Überzeugungen sind für sie eine starke Kraft- und Trostquelle.
23. Bescheidenheit: Menschen, die sich nicht in den Vordergrund drängen und sich nicht als etwas Spezielles betrachten. Sie lassen lieber Ihre Kompetenzen für sich sprechen und stehen in der zweiten Reihe.
24. Humor: Das sind lustige Menschen, die andere schnell zum Lachen bringen können. Sie nehmen das Leben leichter als viele andere und suchen nach der beschwingten Seite im Leben.
Als Signaturstärken werden die 3-7 Charakterstärken bezeichnet, die einen Menschen im Wesentlichen auszeichnen, also in der Rangfolge ganz oben stehen. Sie werden als besonders erfüllend erlebt und als integrierter Bestandteil der eigenen Persönlichkeit verstanden. Jeder Mensch kann sich darin wiedererkennen und identifizieren: „Das bin ich!“
Um festzustellen, worin nun die entscheidenden persönlichen Signaturstärken bestehen, kann man sich einem Test unterziehen. In deutscher Sprache hat ihn die Universität Zürich aufgearbeitet und er ist unter http://www.charakterstaerken.org zu finden. Vor etlichen Jahren habe ich den Test gemacht und ihn vor zwei Jahren wiederholt. Die Ergebnisse konnte ich fast übereinanderlegen – bis auf zwei Abweichungen in der Rangfolge haben sich meine offensichtlich nachhaltigen Signaturstärken bestätigt (Kreativität, Optimismus, Ausdauer, Sinn für das Schöne, Liebe zum Lernen).
Das VIA-Institut hat die Charakterstärken im Spannungsfeld von Herz und Verstand sowie in ihrer Beziehung zum eigenen Selbst und den Anderen aufgespannt. Hier eine Grafik, die den Charakterstärken des VIA-Institutes on Character (c) 2002 – 2014 nachempfunden ist und eine persönliche Verortung erlaubt:

Wenn Sie den Test absolviert haben: Welche sind Ihre persönlichen Signaturstärken, Ihre größten Tugenden? Sind die prozentualen Abstufungen zwischen Ihren Stärken sehr unterschiedlich oder liegen sie eng beeinander? Wo würde sich Ihr Platz im Diagramm wiederfinden, wenn Sie die ranghöchsten fünf Signaturstärken markieren würden? Überwiegt mehr das Gefühl (Herz) oder der Verstand (Geist)? Sind sie eher intrapersonal (auf ihr Selbst bezogen) oder interpersonal (auf andere fixiert) positioniert? Über ein Feedback würde ich mich sehr freuen!
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße
Wolfgang Schiele
(Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren
© Wolfgang Schiele 2020 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de
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