Was, bitte, ist Adaptabilität? —
Das ist nicht mehr und nicht weniger als unsere Anpassungsfähigkeit an die Veränderungen um uns (Umwelt, Beruf, Freundeskreis …) und in uns (Gesundheit, Lebenssinn, Lebenszufriedenheit …).
Dass diese Fähigkeit jetzt immer mehr in den Fokus von wissenschaftlichen Untersuchungen rückt, z. B. im Zuge der Resilienzforschung, muss uns nicht wundern. Denn neben zwei anderen Intelligenzen, der intellektuellen Leistungsfähigkeit, die sich mit dem IQ messen lässt, und der emotionalen Intelligenz EQ, die u. a. über Persönlichkeitsdimensionen (Stichwort: „Big Five“) gemessen werden kann, ist es für den persönlichen und beruflichen Erfolg, für das Wohlergehen und die körperliche und geistige Balance wichtig und an der Zeit, sich an die Unvorhersehbarkeit, die Flüchtigkeit, die Unsicherheit und Mehrdeutigkeit, ja an den steten und schnellen Wandel der Welt, anzupassen.

Für Unternehmen bedeutet ein hoher Adaptabilitätsquotient einen Wettbewerbsvorteil. Als Person versetzt uns eine hohe Adaptabilität in die Lage, gelassener und selbstbewusster unseren persönlichen Weg zu gehen. Was für einen im Berufsleben stehenden Menschen schnell verständlich wird, erschließt sich für einen Privatier und (angehenden) Ruheständler nicht auf den ersten Blick. Doch wenn wir die Adaptabilität nicht nur als eine bloße Reaktion auf Veränderungen im Innen und Außen, sondern als dauerhafte Fähigkeit einer permanenten Anpassung verstehen, dann können wir den Herausforderungen des Alter(n)s schon einiges entgegensetzen. Und es gibt einige Spannungsfelder, in denen wir unsere Adaptionsfähigkeit nutzen können. Aber dazu in einem weiteren Beitrag. Eine belastbare Basis für die fundierte Bestimmung des Adaptationsquotienten AQ gibt es noch nicht. Aber es gibt Kriterien, an denen man die Anpassungsfähigkeit festmachen kann.


DIE NEUGIERDE – Leben Sie Ihre Sehnsüchte!

Da hätten wir zum einen die Neugierde, unsere Ungeduld, unseren Forscherdrang. Oder auch unsere Sehnsucht, Neues zu entdecken, mutig dem Unbekannten in die Augen zu blicken und die Zivilcourage, unbekannte Situationen anzugehen. Trauen Sie sich, etwas völlig Neues anzupacken, eine bisher verdrängte verrückte Idee, z. B. aus Ihrer Jugendzeit, zu testen und sich auf die Reaktion bewusst einzulassen. Wenn Sie sich derart ausprobieren, dann werden Sie auch in entscheidenden Veränderungssituationen im Alter handlungsfähig sein und sich mit der Zeit anzupassen wissen. Die beste Vorbereitung auf Veränderungen ist immer noch das präventive Üben, die Simulation, bevor ein angstmachender Wandel eintreten kann.



DIE EIGENVERANTWORTUNG – Bleiben Sie Herrscher über Ihre Zeit!

Lassen Sie sich im Ruhestand nicht von anderen beschäftigen. Nehmen Sie das Heft des Handelns in die eigene Hand, übernehmen Sie Eigenverantwortung für sich (und Ihre Liebsten natürlich). Planen Sie Ihre „Späte Freiheit“ so, dass Sie immer genug Zeit für sich haben. Strukturieren Sie Ihre dritte Lebensphase proaktiv selbst und richten Sie Ihr ganz persönliches Zeitmanagement ein. Vermeiden Sie dabei Stress und bleiben Sie Herr (oder Frau) Ihrer Freitätigkeit. Belegen Sie Ihre Zeit mit den Dingen, die Ihnen Freude bereiten, die Sie in einen guten Zustand versetzen und Ihnen zeigen, dass Sie auch schwierige Aufgaben trotz gewisser Widrigkeiten noch – oder jetzt erst recht – selbst lösen können (Selbstwirksamkeit).


DER FOKUS – Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche!

Ob wir wollen oder nicht – trotz der durchschnittlich 20 Lebensjahre, die uns nach dem Ausstieg aus einem Arbeitsleben noch bleiben: Wir müssen uns auf ausgewählte Ziele und Aufgaben konzentrieren. Handeln Sie nach dem sog. „SOK“-Modell: S elektion – O ptimierung – K ompensation. Reduzieren Sie Ihre Lebensziele und verdichten Sie Ihre Zielfunktionen. Richten Sie Ihren Fokus auf das Wesentliche, auf das, was Sie gern noch erreichen wollen. Ihre innere und äußere Wertewelt wird sich mit dem Eintritt in den (Un-)Ruhestand womöglich verändert haben. Schauen Sie, dass Ihre Ziele mit Ihrem Werten übereinstimmen. Passen Sie Ihre Ziele an Ihre physischen und geistigen Möglichkeiten und Fähigkeiten an. Finden Sie für sich Verhaltensanpassungen und Hilfsmittel, die es Ihnen gestatten, trotz eintretender körperlicher und seelischer Defizite Ihre Pläne und Projekte angemessen zu verwirklichen.


DER MUT – Übertreten Sie Grenzen!

Anpassen an sich verändernde Bedingungen können wir uns kaum, wenn wir in unserem Schneckenhaus steckenbleiben. Wir müssen es verlassen, die Grenzen unserer persönlichen „Komfortzone“ überschreiten. Um unseren Wohlfühlbereich, in dem bisher alles perfekt organisiert war und Überraschungen ausgeschlossen werden konnten, hinter uns zu lassen, bedarf es des Mutes. Denn hinter den Grenzen lauern nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen und Gefahren. Damit wir von der Komfort- in die Lernzone gelangen, müssen wir als Training für unsere Anpassungsfähigkeit kontinuierlich kleine Mutproben ablegen. Bis sie zur Routine werden und uns auf das unbequeme Neue vorbereiten. Das können im Ruhestand Kontaktanbahnungen zu fremden Menschen und Gruppierungen sein oder Versuche, die persönlichen Erfahrungen der eigenen Lebensvergangenheit in der Öffentlichkeit zu kommunizieren (z. B. ein Buch schreiben) und sich einer breiten Diskussion stellen.


DIE BINDUNG – Trauen Sie sich, anderen zu trauen!

Begegnen Sie bisher unbekannten Menschen mit einem Vertrauensvorschuss! (Sollte er sich als ungerechtfertigt erweisen, dann können Sie immer noch einen Rückzieher machen.) Gehen Sie mit Offenheit und Empathie auf andere Menschen zu und schaffen Sie eine Atmosphäre der Resonanz – einen Zustand wechelseitigen Gebens und Nehmens. Da mit dem Ausstieg aus dem Berufsleben die professionellen Netzwerke weitgehend und sehr schnell zerfallen werden, benötigen Sie neue Beziehungen und Bindungen. Das familiäre Umfeld kann die verlorenen Sozialkontakte aus dem Berufsumfeld in der Regel nicht kompensieren. Im Gegenteil: der Personenkreis verringert sich mit den Jahren oder entfernt sich weiter von uns. Also knüpfen Sie wertschätzend neue Kontakte und bauen Sie vertrauensvoll neuartige Netzwerke auf.


DIE REFLEXION – Überprüfen Sie das neu Gelernte!

Anpassung heißt u. a. neues Wissen anzuhäufen und zu vermehren. Prüfen Sie, ob Ihnen neue Erkenntnisse und Erfahrungen persönlich dienlich sind, ob Sie daran wachsen, ob sie Sie im Prozess des Alterns unterstützen. Ziehen Sie von Zeit zu Zeit ein Resümee darüber, was Sie für die Meisterung Ihres Seniorenalltages gelernt haben und welche Praxistauglichkeit das Erlernte besitzt. Bringen Sie neue Fähigkeiten und Kompetenzen auf der Suche nach dem Sinn im Leben weiter? Spüren sie eine innere Mission, der Sie noch weiter nachgehen sollten? Was hat Sie begeistert, was können Sie getrost liegenlassen?


Auch wenn Sie nur einige der sechs Kriterien beherzigen: Jeder einzelne kleine Schritt hilft Ihnen, sich an die Verwandlungen im Außen, aber auch an die in Ihnen ablaufenden Veränderungen anzupassen. So erhöht sich ihr Adaptabilitätsquotient und damit Ihr Resilienzlevel ständig und Sie werden besser, schneller und effektiver auf die Wandlungen in, um und an sich reagieren können. In welchen Lebensbereichen nun eine hohe Adaptationskompetenz gerade im fortgeschrittenen Alter und Ruhestand von Vorteil ist, erfahren Sie in einem weiteren Blogbeitrag.

Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße!

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach und Resilienzlotse für Senioren

Wolfgang Schiele

© Wolfgang Schiele 2020, überarbeitet 2023 | Coaching50plus | https://www.coachingfiftyplus.de