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… so möchte ich mich mal bezeichnen. Als Rentner-„Schläfer“ – weil ich meine Regelaltersgrenze, meine „Große Rentnerreife“ als vollwertiger Rentner noch nicht erreicht habe.

Über den Rechtsweg von Nahles Gnaden wurde ich – viel zu früh wie ich meine – zum vorgezogenen, zwangsverabschlagten Früh- oder Vorrentner weiterqualifiziert. Natürlich unter eifriger Beihilfe meines Unternehmens, das mich und viele andere hundert als auf lange Sicht unbezahlbare Kostengröße betrachtete und im Zenit meiner Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten einfach in die Entsorgung, sprich an die Rentenversicherung, übergab.

Deutschland kennt eben keine anderen Kriterien als das Lebensalter, um Menschen in den Ruhestand zu entsenden. Leider auch nur wenige Modelle, die den Betroffenen einen allmählichen und harmonischen Übergang in die dritte Lebensphase gewähren. Und will offensichtlich wenig wissen von den einschneidenden demografischen Entwicklungen, denen der Frühverrentungswahn und die immer intensiver in Anspruch genommene 63er-Rente kontraproduktiv entgegenstehen.

BILD Ruhestand 1

Dabei lag es mir zu Arbeitszeiten fern, meinen Job früher als erforderlich abzubrechen oder gar hinzuschmeißen. Auch weil sie Spaß machte, meine Tätigkeit, weil sie kreative Ideen und Lösungen verlangte und weil mich die Kollegen in den Arbeitsteams unterstützten, wo sie nur konnten …

Noch vor dem unfreiwilligen Ausscheid aus der Arbeitswelt entwickelte sich tief in mir die Idee, nun einen konsequenten Wechsel im Leben zu vollziehen. Nicht nur, dass ich der Profession des Ingenieurs den Rücken kehrte – nein, ich schaltete rigoros um von Kopf auf Bauch – heißt: was viele Jahrzehnte lang vom Verstand gesteuert wurde, dafür übernahmen nun die Gefühle die Steuerung. Kurz: Ich wurde zu einem Menschen, der sich mehr inspirieren als funktionalisieren ließ. Nicht immer gleich mit einer logischen Antwort zur Stelle, wenn nach Ursachen für ein Ergebnis gefragt wurde, sondern wertneutral und mit allen Sinnen einfach beobachtend und beschreibend im Leben stehend. Eben mit einer Art gelassener und gleichmütiger Präsenz da sein, wahrnehmen und wahrgeben, was da ist und an den Dingen wachsen, die sich aus dem Verhalten anderer Menschen und dem Verlauf von Situationen für sich selbst ergeben. Nicht nach Erklärungen suchen, sondern Antworten zulassen, die mir bisher unüblich und fragwürdig erschienen.

Ich ließ mich also ausbilden zum Coach. Und weil es so viele Coaches gibt (meist auch noch unzertifizierte und solche, die gar nicht wirklich coachen, sondern einfach nur beraten), tat ich das in einem renommierten Institut in Berlin. Und suchte von Anfang an die Nische, die zu mir passt. Wie wäre es, sagte ich mir, wenn ich genau die Zielgruppe anspreche, der ich selbst angehöre? Vielleicht gibt es ja Menschen, die mit dem vorzeitigen Übergang in den Ruhestand noch weniger klarkommen als ich und vielleicht sogar ernsthafte gesundheitliche Probleme damit bekommen könnten? Also: „Zielgruppe Babyboomer“. Von denen gibt es etwa 15 Millionen in den kommenden 10 Jahren. Und so wurde ich (Vor-)Ruhestandscoach …

Und hier schließt sich wieder der Kreis: Nun als Rentner und Ruhestandscoach mit nur einem „mittleren Reifeabschluss“ entlassen, mit Anfragen und Aufträgen aus ganz Deutschland, habe ich die große Ehre, 40% meiner Einnahmen bis 2020 (da werde ich vollwertiger Rentner mit Ritterschlag!) für ein paar Null-Komma-Punkte Rentenaufwuchs an den Rentenstaat abzutreten.

BILD Ritterschlag

Ja, ich habe verstanden: Die Arbeit als unvollendeter Rentner wird vom Sozialsystem abgestraft. Da hat die Flexirente im Vergleich zum früheren Rentenminderungsmodell nicht viel geändert …  Obwohl – oder gerade weil – das Wissen der Babybommer gefragt ist, lässt sich der Staat diese Kompetenzen mit einem Strafzoll von 40% gern andienen …

Doch was soll`s – es ist unheimlich spannend und faszinierend, was sich nach unserem ersten Arbeitsleben noch alles ereignen kann, wenn man es selbst in die Hand nimmt! Besonders dann, wenn man eigenverantwortlich für die Richtung und die Inhalte sorgt und nicht abhängig ist von Arbeitsbedingungen, die man nicht selbst gestalten kann.

Ach so, beinahe hätte ich es vergessen: Es gibt da noch mein Buch, das der Springer-Verlag vor Kurzem herausgegeben hat. Es trägt den Titel „Rastlos im Beruf, ratlos im Ruhestand? – Wegweisende Impuls für die aktive Gestaltung der dritten Lebensphase“ und ist Ratgeber und Sachbuch in einem. Für alle, die noch etwas aus der dritten Lebenszeit machen wollen.

Ihr (Vor-)Ruhestandscoach Wolfgang Schiele

© Wolfgang Schiele | Coaching50plus | http://www.coachingfiftyplus.de